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Deutschland und seine Flüchtlinge – 10 (unbequeme?) Wahrheiten

Nur ein Thema beschäftigt die Deutschen mehr als das Thema "Flüchtlinge": das Wetter. Und dennoch habe ich den Eindruck, als ob so manche Gesinnungsethik den Blick für die Realitäten verschleiert.

Erstens: Die Flüchtlinge sind Menschen. Kein "Pack", kein "Dreck", keine "Sozialschmarotzer" und auch keine "Armutsmigranten". Es kommen Menschen. Wer das Grundgesetz und die in Artikel 1 festgelegte Menschenwürde ernst nimmt, daran glaubt, sollte dies auch hochhalten. Das betrifft aber auch umgekehrt jene, die am Straßenrand stehen, demonstrieren, andere (nicht meine) Meinungen lautstark äußern. Auch diese Menschen sind kein "Pack", kein "Mob", keine "Asozialen". Nur der Dialog von Mensch zu Mensch kann helfen. Wer Gewalt anwendet, hat allerdings konsequent den Rechtsstaat zu spüren.

Zweitens: Es gilt der kategorische Imperativ: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Jeder mag sich vorstellen, als Flüchtling in anderes Land zu kommen. Wie möchtest du aufgenommen und behandelt werden? Das ist der Maßstab!

Drittens: Keiner verlässt gern seine Heimat. Jeder fühlt sich dem verbunden, wo er groß geworden ist, wo die Eltern und Großeltern leben, wo die erste Liebe erlebt worden ist. Keiner verlässt gern ein Land, in dem man die gleiche Sprache spricht und verstanden wird.

Viertens: Es war US-Präsident Bush, der den Irak mit einem elenden Krieg überzog, der in einer Lüge seine Berechtigung suchte. Es war die westliche Wertegemeinschaft, die Libyen dem Erdboden gleichmachte, so dass heute die Menschenschmuggler und die IS-Terroristen das Chaos beherrschen. Es war auch die deutsche Regierung, die den syrischen Diktator stabilisierte, mit Waffen belieferte. Diese Flüchtlinge sind auch Reaktionen einer verfehlten internationalen (deutschen) Politik.

Fünftens: Nüchtern betrachtet überleben vor allem jene Menschen die Tortur der Flucht, die stark und ausdauernd sind, die Solidarität mit ihren Familienangehörigen empfinden, die über Bildung verfügen und die aufgrund einer soliden Berufsausbildung zuhause das Geld erwirtschaftet haben, das ihnen nun die Schlepper finanzieren hilft. Es sind kaum Menschen, die Zuflucht in einer sozialen Hängematte suchen. Sie wollen ihr Leben aktiv gestalten.

Sechstens: Wir ernten in Deutschland nun die Folgen einer Lebenslüge, die Jahrzehnte davon erzählt hat, dass unser Land kein Einwanderungsland sei. Ganze Wahlkämpfe wurden mit grenzwürdigen Parolen gegen doppelte Staatsbürgerschaften oder für eine Ausländermaut geführt. Das hat einerseits ein Klima erzeugt, in dem der Stammtisch genährt wurde und andererseits für ein Gefühl gesorgt, dass es einer flächendeckenden, mit den Zuwanderern gemeinsam gestalteten kommunalen Integrationspolitik nicht bedarf.

Siebtens: Unser 1965 verabschiedetes Ausländerrecht ist in der Rubrik Polizei- und Ordnungsrecht eingeordnet. Es ist ein Gefahrenabwehrrecht. So denken auch viele Menschen in den Ausländerbehörden. Plötzlich ist Willkommenskultur angesagt. Der Spagat ist sportlich - auch mental.

Achtens: Deutschland profitierte lange von der demografischen Dividende der Babyboomer. Viele Menschen = viele Talente. Diese Talente werden in wenigen Jahren alt und müde sein. Nachwuchs ist nicht mehr ausreichend da. Nun kommen diese meist jungen Menschen als Flüchtlinge. Das ist unsere Chance auf eine demografische Dividende für morgen.

Neuntens: Deutschland hat Platz, insbesondere im ländlichen Raum. Die Stichworte lauten: alt, arm und leer. Gegen alt und leer könnte sofort etwas getan werden, wenn man wollte.

Zehntens: Der vorprogrammierte Fachkräftemangel erhält mit den Flüchtlingen eine Entspannung, wenn wir es wollen. Denn es kommen viele beruflich gebildete Menschen. Rasch für Spracherwerb sorgen, rasch die Integration vor Ort gestalten, müsste das Credo lauten, statt zaghaft nach Zuständigkeiten und Finanzierungen suchen. Wir Steuerzahler sorgen für sprudelnde Steuerquellen. Also: Das Geld ist da!

Diese zehn Punkte werde ich anführen, wenn ich am kommenden Sonntag im Hessischen Rundfunk als Experte zur Flüchtlingsfrage in Deutschland Stellung beziehen soll. Schreiben Sie mir, wenn Sie diese Gedanken anreichern wollen.


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