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Offener Brief an die Bundeskanzlerin: Guantanamo und Ihre lebenswerte Welt?

Sehr geehrte, liebe Frau Bundeskanzlerin,

vor gut einem Monat las ich in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)‘ einen Beitrag von Ihnen, der mit den Worten „Motor für eine lebenswerte Welt“ überschrieben war. Ihr Ziel war es, die Leser/innen auf den G-7-Gipfel in Elmau inhaltlich einzustimmen.

Darin las ich den Satz: „Die G7 verbindet mehr als Wohlstand und Wirtschaftskraft: Sie teilen die Werte Freiheit, Demokratie und Menschenrechte.“

Zur gleichen Zeit las ich das Buch von Mohamedou Ould Slahi „Das Guantanamo Tagebuch“. In meinem 53 Jahre währenden Leben haben mich nur Bücher von Überlebenden der Konzentrationslager der Nazi-Diktatur ähnlich tief erschüttert.

Mein Ansehen der „Vereinigten Staaten“ ist nach der Lektüre dieses 452-seitigen Buches auf dem Tiefstand. Das hätte ich mir nicht vorstellen können. Denn dort wird geschildert, wie ein unschuldiger Mensch in Guantanmo festgehalten, über Jahre gefoltert (!) und wie Dreck behandelt wird. Dort wird geschildert, wie Menschen sich im Recht fühlen, andere Menschen zu foltern und wie Dreck zu behandeln. Dort wird geschildert, dass ein Land sich im Recht fühlt, einzelne Menschen zu foltern und wie Dreck zu behandeln. Und ich spreche hier nicht von Nordkorea, sondern von den Vereinigten Staaten von Amerika!

Vor wenigen Tagen sah ich in einer Nachrichtensendung einen Menschen, der im sächsichen Freital Flüchtlinge als „Dreck“ bezeichnete, die er hier in Deutschland nicht haben wollte.

Sind diese beiden Wertübereinstimmungen das, was Sie in dem Artikel zum Ausdruck bringen wollten?

Frau Bundeskanzlerin: Ich sehe keine Werteübereinstimmung mit einem Land und einer Regierung, die solche Lager wie Guantanamo unterhalten, die Menschen unschuldig, ohne Gerichtsverhandlung festhalten, die foltern bzw. foltern lassen und jegliche Menschenrechte mit Füßen treten.

Wenn Sie meinen, dass es diese Werteübereinstimmung gibt, weil wir, aber auch andere Länder wie Großbritannien oder Japan, ähnliche Werte in ihrer Geschichte schon „gepflegt“ haben, dann bin ich wieder erschüttert.

Es ist aus meiner Sicht eine große Errungenschaft unserer „westlichen“ Welt, dass wir einen Rechtsstaat haben, dass wir unveräußerliche Menschenrechte definieren, dass wir diese Werte auch für Flüchtlinge gelten lassen. Wenn Sie das auch so sehen, dann bitte ich Sie nachdrücklich, sich dafür einzusetzen, dass Guantanamo geschlossen wird, dass die dort Inhaftierten einem Richter vorgeführt werden und dass die unschuldig Inhaftierten endlich frei gelassen werden.

Übrigens: ein amerikanisches Gericht hat verfügt, Mohamedou Ould Slahi freizulassen. Doch die amerikanische Regierung setzt das Urteil nicht um. Sind das die Werte, von denen Sie sprachen? Würden Sie auch lieber Bundeskanzlerin eines Landes sein, in dem man sich an Recht und Gesetz nicht halten muss?

Frau Bundeskanzlerin, ich gebe zu, dass der Zufall, dass ich dieses Buch kaufte und las, diesen Brief motiviert. Ansonsten hätte ich Ihre Ausführungen in dem FAZ-Artikel zustimmend zur Kenntnis genommen. Doch das geht nicht mehr!

 


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