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Migration und Integration bleiben auf der Tagesordnung – weltweit

Glaubt man den verschiedenen Umfragen, so zählen für die meisten Menschen die ungelösten Fragen der Migration und Integration zu den wichtigen, für diese Menschen auch wahlentscheidenden Zukunftsfragen einer demokratischen Gesellschaft. Das jedenfalls wird aus den Ergebnissen der Landtagswahlen in Bayern und Hessen herausgelesen.

Faktisch ist unser Land in einem dreifachen Dilemma:

  • Die enorme Alterung der Gesellschaft und der damit verbundene nachhaltige Mangel an Arbeitskräften macht eine gesteuerte, zielorientiert gestaltete und integrationsorientierte Zuwanderung aus dem Ausland zu einer Zukunftsfrage für den Wohlstand und den sozialen Frieden unseres Landes. Hinzu kommt, dass Deutschland zwar Fachkräfte braucht und nach ihnen ruft, die Fachkräfte aber nicht Deutschland zu ihrem Glück benötigen.
  • Der Klimawandel wird viele Gegenden dieser Welt unbewohnbar machen. Ganze Staaten werden im Wasser verschwinden. „Klimaflüchtlinge“ werden zunehmend die Wirklichkeit prägen. Davon besonders betroffen sind zudem Länder, in denen noch viele Geburten verzeichnet werden können, also junge Staaten. Doch sie können ihren jungen Menschen kaum Perspektiven bieten, so dass diese Menschen sich neu orientieren müssen. Sie gehen auf Wanderschaft. Attraktiv bleibt für sie das alternde, sich leerende Europa, damit auch Deutschland.
  • Deutschland hat keine gelebte Integrations- und Einwanderungskultur, die nun für die zu gestaltenden Zukunftsfragen erntereife Früchte trägt. Zwar schloss man 1955 den ersten „Gastarbeitervertrag“ mit Italien, doch das Integrationsgesetz verabschiedete der Bundestag erst 2016 – 61 Jahre glaubten wir, kein Einwanderungsland zu sein. Das Ausländergesetz wurde 1965 konzipiert, zu einer Zeit, als noch viele ehemalige „Nazis“ im Bundesjustizministerium ihren Dienst taten. Für sie waren Ausländer eine Gefahr. Entsprechend ist das Ausländergesetzt eingeordnet. Auf diesem Hintergrund dürfte es schwer werden, Fachkräfte zu gewinnen.

In dieser Gemengelage müssen wir nun unsere Zukunft gestalten. Jeder Beitrag in dieser Debatte muss auf diese Fakten Antworten geben können. Auch die Verweigerung der Faktenanerkenntnis wäre eine Antwort – allerdings keine nachhaltige.

Nicht wenige verfolgen das Ziel, die Grenzen wieder einzurichten und Zäune zu bauen bzw. Einwanderungen restriktiv zu kontrollieren. Dazu zählen zum Beispiel Länder wie Ungarn und Polen, die übrigens vor den gleichen demografischen Herausforderungen stehen wie Deutschland. Dabei stellt sich auch die Frage, woher das Personal für die Grenzkontrollen kommen soll.

Der Roman „Die Mauer“ des britischen Autoren John Lanchester gibt einen guten Einblick in diese Denkrichtung. Er geht der Überlegung nach, ganz Großbritannien sei von einer Mauer umgeben. (Das war im Rahmen der Brexit-Diskussion eine politische Idee!) Ziel ist es, die Einwanderung von Menschen – genannt „Andere“ – strikt zu verhindern. Erste Konsequenz: es gibt keine Strände und Seebäder mehr. Zweite Konsequenz: Es braucht viele Menschen, die auf der Mauer ihren Dienst tun. Sie stehen damit für andere gesellschaftliche Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Die britische Jugend ist somit verpflichtet. Ausnahme: Man zeugt Kinder („Fortpflanzler“). Damit sind Privilegien verknüpft. Dritte Konsequenz: Es braucht eine gezielte, gesteuerte Einwanderung, um zahlreiche Dienstleistungen zu ermöglichen, damit die Mauer „gelebt“ werden kann. Diese Menschen werden in dem Roman „Dienstlinge“ genannt. Vierte Konsequenz: Menschlichkeit wird auf dem Hintergrund nationalistischen Denkens neu zu definieren sein. Um das durchzusetzen, braucht es ein hartes Regime.

Wer über Grenzzäune schwadroniert, sollte dieses Buch lesen. Anschließend bleibt die Frage offen, wie den oben aufgeführten faktischen Entwicklungen begegnet werden soll. Es braucht Lösungen, die keiner Ideologie folgen, sondern pragmatisch orientiert sind. Alles andere wird nicht nachhaltig sein.

Wir brauchen ein Konzept, das Vielfalt ermöglicht und gestaltet, es strategisch zielorientiert anlegt, und das dazu führt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gelingt. Wer legale, gesteuerte Zuwanderung ermöglicht, kann einer illegalen, ungesteuerten Zuwanderung nachhaltiger Paroli bieten.


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