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Demokratie lebt vom Mitmachen – doch was, wenn keiner mehr hingeht?

Im November stand in der Stadt Wesseling bei Köln eine Wahl zum Bürgermeister / zur Bürgermeisterin an. Nichts Ungewöhnliches im demokratisch verfassten Deutschland. Drei Männer bewarben sich. Eine Stichwahl wurde notwendig. 36,7 Prozent der wahlberechtigten Bürger*innen haben sich beteiligt. 63,3 Prozent sahen keinen Sinn darin mitzuwirken. Das ist kein Einzelfall in Deutschland. Diese Wahlbeteiligung bei der Bürgermeisterwahl in Wesseling macht mir Sorgen. Schon 2017 bei der Bürgermeisterwahl im benachbarten Bergheim haben sich nur 30 Prozent beteiligt. Bei vergleichbaren Wahlen sind bundesweit ähnliche Beteiligungsquoten festzustellen.

Was ist mit der Demokratie los? Einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung vom Februar 2022 zufolge sind nur noch 42 Prozent mit der Demokratie in Deutschland zufrieden. Aber geht man deshalb nicht mehr hin und macht mit? Müsste man nicht aktiv werden und es besser machen? Angesichts der Tatsache, dass in der Ukraine gerade unsere Demokratie verteidigt wird, muss man sich fragen, ob zwei Drittel der Wahlberechtigten lieber in einer Diktatur leben wollen.

Die Zukunft unserer Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie lebt vom Mitmachen. Dass Parteien manchmal den Eindruck erwecken, als ob Bürgerengagement ihre Beschäftigung mit sich selbst stört, mag ja richtig sein. Aber warum dann nicht neue, eigene Wege gehen? Wir erleben eine Zeit, in der die Mitglieder von CDU und SPD zur Hälfte älter als 61 Jahre sind. Wir erleben eine Zeit, in der die strukturelle Mehrheit bei jeder Wahl bei den Älteren, den Menschen über 55 Jahren, liegt. Sie bestimmen.

Denken Sie dabei an die Jüngeren? Denn wer heute keine Rücksicht auf nachfolgende Generationen nimmt, der wird später, wenn der eigene Rollstuhl geschoben werden soll, kaum Nachsicht erwarten dürfen. Sehen die Jüngeren noch einen Sinn in demokratische Gepflogenheiten? Wie steht es um die politische Bildung in den Schulen? Demokratie erschöpft sich nicht in Posts bei Facebook oder Instagramm.

Die nächsten Jahre kennen große Veränderungsprozesse: demografisch, technologisch, gesellschaftlich, klimaökologisch. Die Zukunft ist längst nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit. Wir müssen die neuen sozialen Realitäten (älter werdende Gesellschaft, digitale Gesellschaft, diverse Gesellschaft, klimaschützende Gesellschaft) aktiv gestalten. Doch das gelingt immer weniger, wenn die Menschen sich nicht mehr angesprochen fühlen und im demokratischen Diskurs teilnehmen. Was läuft falsch? Warum wollen so wenige es noch besser machen?

Ein*e Bürgermeister*in, der von der Hälfte eines Drittels der Wahlberechtigten aktiv gewollt ist, ist zwar formal gewählt, aber genießt er/sie tatsächlich den gesellschaftlichen Rückhalt, den er/sie braucht, um unsere gemeinsame sich immer beschleunigter verändernde Zukunft zu gestalten?


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