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2016: Stellenboom in Deutschland – Doch wo sind die Menschen?

Der Paradigmenwechsel wird 2016 endgültig spürbar: Die Währung der Zukunft sind nicht mehr Arbeitsplätze (und Stellen), sondern Fachkräfte. Damit verbunden bestimmt künftig weniger der Arbeitgebende, wen er als Arbeitnehmenden auswählt, sondern der Arbeitnehmende, wen er sich als Arbeitgebenden auswählt. Doch der Reihe nach.

Der Bundesinnenminister sucht 4.000 Menschen für die Bundespolizei und den Bundesgrenzschutz. Die Bundesagentur für Arbeit will 3.600 zusätzliche Stellen besetzen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (seit Mai 2015!) ca. 2.500. Jedes Bundesland sucht händeringend Lehrer/innen, in NRW sollen 2016 rund 2.200 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Von 2016 bis 2018 werden rund 660 Millionen Euro für zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern zur Verfügung stehen. Ach ja: auch die Bundeswehr sucht Leute. Gerichtsvollzieher haben Nachwuchsprobleme und sehr, sehr viele Handwerker suchen Nachfolger für ihre Betriebe. Diese Liste kann beliebig ergänzt werden.

Die Politik und viele Personalverantwortliche in den Unternehmen glauben noch immer, sie müssten nur Stellen schaffen, dann füllten sie sich schon automatisch mit qualifizierten (!) Menschen. Nur: Noch nie so viele Menschen waren (sozialversicherungspflichtig) beschäftigt wie in 2015, schon lange nicht mehr waren so wenige Menschen arbeitslos.  Woher sollen also die Menschen kommen, um die Stellen zu besetzen?

Wer heute bemängelt, dass der Nachwuchs fehle, dem sei gesagt: Das wissen wir seit über 16 Jahren, denn so lange ist klar, dass der Nachwuchs, den wir heute brauchen, gar nicht mehr geboren ist. Oder anders ausgedrückt: so lange haben die Verantwortlichen geschlafen und sich geweigert, zukunftsorientiert zu denken. (Und diese Politiker zum Beispiel sind gewählt worden von Menschen, die ebenfalls satt und zufrieden keine Veränderung wollen!) Und zur Erinnerung: die Geburtenzahlen haben sich seit 1964 nahezu halbiert! Das wird sich also nicht mehr kurzfristig ändern!

Woher sollen also die Menschen kommen, die diese Stellen besetzen sollen? Eigentlich müssten wir alle länger arbeiten, doch die Bundesregierung hat gerade mit der 'Rente mit 63' die völlig falschen Weichen gestellt! Also Rettung aus dem Ausland?

Wer heute (noch immer!) behauptet, die aus dem Ausland zuwandernden Menschen, wandern in die deutschen Sozialkassen ein, dem sei gesagt: Von 2010 bis 2014 wanderten 1.755.024 Menschen aus dem Ausland mehr nach Deutschland ein als aus. Darunter sind keine Flüchtlinge bzw. Asylbewerber! Gleichzeitig sank die Zahl der Hartz-IV-/Sozialhilfebezieher um 615.304 und die Zahl der Arbeitslosen um 340.577. Eine Zuwanderung in die Sozialkassen ist also schlichtweg nicht gegeben. Wer etwas Anderes behauptet, der beherrscht entweder nicht die Mathematik oder lügt. Anders ausgedrückt: Wären die 1,75 Millionen Menschen (drei Viertel aus EU-Staaten, der größte Teil aus Polen) nicht zugewandert, der Fachkräftemangel wäre noch extremer spürbar, zum Beispiel in der Gastronomie.

Wer auf die eine Million Flüchtlinge hofft, die 2015 den Weg nach Deutschland gefunden haben, dem sei gesagt, dass diese Hoffnung dann zukunftsträchtig wird, wenn 2016 gewaltige Integrationsleistungen gestemmt werden. Doch welche Stadt bzw. Gemeinde, welcher Kreis, welches Bundesland verfügt hier über Konzepte! (Kommunale) Integrationspolitik gehörte nicht zu den prioritären Handlungsfeldern unserer politischen Parteien, das Personal in den Ausländerämtern nicht zur Visitenkarte einer Stadt.

Diese Situation ist im Übrigen auch eine Chance: für Jugendliche ohne Schulabschluss, für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss, für Menschen mit Behinderungen oder für Langzeitarbeitslose.

Der Abschied von der Welt, wie wir sie kennen, steht an, der Umbau unserer Gesellschaft auf dem Programm: Immer weniger Menschen werden arbeiten (können) und immer mehr Menschen müssen von diesen weniger werdenden Menschen mitfinanziert werden (weil sie Kind und Jugendlicher sind, weil sie Rentner sind oder weil sie zum Beispiel krank sind). Dafür haben wir keine Konzepte, weil wir immer noch hartnäckig glauben wollen, dass die Zukunft die Verlängerung der Vergangenheit ist.

2016 könnte dann ein gutes Jahr werden, wenn wir begreifen, dass die Zukunft nicht als "Weiter so!" zu gestalten ist. Und wenn wir begreifen, dass Veränderung bei jedem selbst anfängt und jeder Einzelne seine Veränderung nicht mehr ausschließt!


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