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Der AfD-Killer lautet: Probleme lösen!

Wenn die Beobachtung richtig ist, dass die Mehrheit derjenigen, die die AfD wählen, es aus Protest tun, und die Beobachtung richtig ist, dass die Stimmenanteile für diese Partei dort besonders hoch sind, wo sich die Menschen vernachlässigt und verlassen fühlen, dann kann die Botschaft nur lauten: „Zu den Menschen gehen, zuhören und (gemeinsam) Probleme anpacken und zu lösen versuchen!“

Doch genau das ist in den letzten Jahrzehnten aus Sicht der Menschen, die nun ihre Sympathie für diese Partei entdecken, nicht hinreichend erfolgt. Eine Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz und Ideenlosigkeit auf Seiten der etablierten Parteien hat dazu geführt, eine Strategie der Empörung und der Verunglimpfung der politischen Rechten zu führen. Doch die Partei und deren Mandatsträger*innen zu Schmuddelkindern zu erklären, mit denen man nicht spielen dürfe, ist gescheitert. Auch die Medien und ihre (journalistischen Repräsentant*innen) haben daran mitgewirkt – und sind ebenfalls krachend gescheitert.

Die Empörungsspirale hat im Grunde diese Partei erst groß gemacht. Und die Wählenden, die ihr Kreuz (aus Protest) bei dieser Partei hinterlassen haben, fühlten sich ebenfalls verunglimpft und (weiterhin) nicht ernst genommen. Sie haben sich nun erst recht hinter ihr geschart.

Doch noch ein anderes Phänomen ist sichtbar geworden. Menschen, deren Anliegen und Alltagsprobleme (systematisch) ignoriert wurden, spüren auf einmal, dass sie Gehör finden, wenn sie diese Partei wählen. Dies im Übrigen weniger bei der Partei, die sie wählen, aber vor allem bei den Parteien, die sie nicht wählen. Doch diese Parteien ziehen die falschen Schlüsse. Sie ergötzen sich darin, wer die höchsten Brandmauern zieht, anstatt zu überlegen, wie sie gesellschaftliche Probleme lösen, die die Ursache für die Zustimmung zu dieser Partei sind.

Diese Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz und Ideenlosigkeit macht sich überdeutlich bemerkbar, wenn man die Herausforderungen dieser Zeit sieht (Fachkräftemangel, Zuwanderung, Klimawandel, Digitalisierung), die nun alle gleichzeitig spürbar werden und gleichzeitig gelöst werden sollen, und wo die etablierten Parteien weder Konzepte noch kommunikative Erklärungsangebote haben. Dabei haben sich diese Probleme seit mehreren Jahrzehnten (!) angekündigt. Doch Politik und Medien verlustieren sich in Nebenkriegsschauplätzen. Das Buch von Stephan Lamby („Entscheidungstage“) zur Bundestagswahl 2021 verdeutlichte es: Es ging im Bundestagswahlkampf kaum um Inhalte, sondern fast nur um Persönliches und persönliche Fehler und Schwächen der Kandidat*innen, in denen man genüsslich herumrührte.

Als ehrenamtlicher parteiloser Ortsbürgermeister in einer 4.000-Seelen-Gemeinde, in der bei der letzten Kommunalwahl nur 40 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gingen und davon 10 Prozent die AfD wählten, weiß ich, warum: die Menschen haben den Glauben an die Handlungsfähigkeit von Politik und das Vertrauen in handelnde Politiker*innen verloren. Klar: die Wahlkämpfer*innen bemühen sich auch nicht in Stadtquartieren um Stimmen, wo sie glauben, dass sie keine holen können. Und sie können keine holen, weil sie auf die tatsächlichen Probleme der Menschen keine Antworten finden (wollen).

Als ehrenamtlicher parteiloser Ortsbürgermeister arbeite ich nicht mit der AfD zusammen, komme aber mit deren Repräsentanten und deren Wähler*innen zusammen. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Rat meiner Stadt wohnt in meinem Ort, engagiert sich als Eigentümer in einem Beirat. Soll ich nicht mit diesem Menschen reden? Soll ich nicht die Auseinandersetzung inhaltlich suchen? Soll ich nicht Lösungen in der Sache umsetzen, wenn sie auch von ihm mitentwickelt werden? Meine Erfahrung ist, dass sie häufig keine Antworten auf Probleme haben. Sie wissen, das Problem zu benennen und Forderungen aufzustellen. Sie wissen in der Regel auch, was sie nicht wollen, doch sie wissen nicht, diese Probleme zu lösen oder ihre Problemlösungsvorschläge umzusetzen.

Nehmen Sie das Beispiel der italienischen (rechten) Regierung, die den Zuzug der Migrant*innen stoppen will. In Italien können rund 240.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden. Die Wirtschaft fordert eine qualifizierte Zuwanderung. Doch die Regierung will Italien den Italiener*innen lassen. Doch die haben eine schwache Geburtenquote und vermehren sich nicht mehr so, dass sie die freiwerdenden Arbeitsplätze erneut besetzen können. Nun ist die Ideologie der Rechten, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Keine Zuwanderung. Okay. Die Konsequenz: Die Wirtschaft fährt gegen die Wand. Wenn das der demokratisch legitimierte Wille der Menschen ist, bitte.

Im Rat meiner Stadt ist noch nie ein Antrag und damit ein politischer Wille bzw. ein politischer Gestaltungsvorschlag seitens der AfD eingebracht worden. Die Probleme der Menschen, insbesondere in benachteiligten Stadtquartieren, werden aber auch nicht von den anderen Parteien gelöst. So nährt sich der Protest weiter. Und Protest interessiert sich nicht für Lösungen, sondern erst einmal nur für Gehör. Der tiefe Frust will wertgeschätzt werden.

Wer die Debatte um den unglücklichen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz nach seinem ZDF-Sommerinterview beobachtet, der muss zugeben, dass alle sich in Empörung üben. Nichts dazugelernt. Es bleibt eine Mischung aus Ignoranz, Inkompetenz und Ideenlosigkeit.


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