Der nordkoreanische Diktator und der südkoreanische Präsident trafen sich und die Welt schöpft Hoffnung. Doch vergessen wir nicht: Nordkorea ist eine Diktatur, in der die Menschen brutal unterdrückt werden. So sehr es auch menschelte am 38. Breitengrad in der demilitarisierten Zone von Panmunjon: das Regime soll rund 200.000 Menschen vom Kleinkind bis zum Greis in Konzentrationslagern zusammenpferchen. Eine friedliche Vereinigung beider koreanischer Länder ist noch weit entfernt.
Wenn es weiße Flecken auf der Weltkarte gibt, also Regionen, über die wir wenig wissen und wo wir nur wenig Zugang zu haben, dann zählt sicherlich Nordkorea dazu. Wir nahmen dieses Land in erster Linie wahr, weil ein selbstverliebter, machtgeiler und skrupelloser Diktatur Spaß an der weltweit wahrgenommenen Provokation hatte (hat?). Ob sich das nun ändert, bleibt abzuwarten. Doch was das Volk denkt, wie dessen Alltag ist, wie die Menschen leben, lieben, arbeiten und wohnen – all das ist eher unbekannt.
Seit einigen Monaten liegt ein Buch mit sieben „Erzählungen aus Nordkorea“ vor: „Denunziation“ lautet der Titel. Der Autor wird mit „Bandi“ angegeben. Ein Pseudonym, dass den wahren Autoren schützen soll, denn diese Erzählungen sind rausgeschmuggelt worden. Schon allein der Gedanke, dass ein Text nicht einfach geschrieben und per Email, Facebook oder CD weltweit auf Reise gehen kann, ist in unserer Zeit nahezu absurd. Aber da ist es wieder: dieses Abgeschnittensein von der Welt.
Warum müssen Menschen Inhaftierung, Folter oder gar Tod befürchten, wenn sie das, was sie schreiben, unter ihrem Namen veröffentlichen? Dieser Autor jedenfalls muss es wohl befürchtet haben. Es sind zudem Geschichten, die schon viele Jahre zuvor verfasst wurden. Doch die Inhalte haben es in sich. Sie beschreiben den Alltag in einer totalen Diktatur, in der Mensch nicht Mensch sein kann, in der das Misstrauen und die mögliche Verschwörung gegen den Machthaber ständig präsent sind und das Denken bestimmen, in der die Korruption der Parteieliten zu massiven Ungerechtigkeiten führt. Einen gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt es nicht.
Und doch funktioniert der Staat, weil das Schmiermittel die Angst ist. Sie zu schüren und wach zu halten, bleibt die alltägliche Aufgabe des Staates. Und die Menschen müssen damit in ihrem Alltag zurechtkommen.
Wer wie ich in Freiheit groß geworden ist und sie als selbstverständlich erlebt und liebt, der kann sich eine andere Welt kaum vorstellen. Und doch: es ist gar nicht lange her, dass auch auf deutschem Boden die totale Überwachung des Einzelnen ein Volkssport war. Es ist auch gar nicht so weit hergeholt, dass all das wiederkommen könnte, wenn wir nicht aufpassen und das Selbstverständliche zu selbstverständlich nehmen.
Die Erzählungen aus Nordkorea haben es in sich. Sie sind nicht nur gut zu lesen, sondern auch beeindruckende Bilder eines Alltags aus einer anderen Welt. Es sollte Pflichtlektüre an den Schulen sein, damit wir die Freiheit einer offenen Gesellschaft wieder zu schätzen lernen.
Das Buch ist im Münchener Piper-Verlag erschienen. Es lohnt sich.