Wer Johannes Kneifel kennenlernt, der kommt gar nicht auf den Gedanken, dass er sich mal in der Szene von Skinheads und Rechtsradikalen herumgetrieben hat, oder dass er zehn Jahre im Gefängnis gesessen hat, weil er im Suff einen Menschen erschlagen hat. Heute schämt er sich, wenn er daran denkt, „dass ich früher das Euthanasieprogramm der Nazis für behinderte Menschen befürwortet habe, nur weil ich als Sohn behinderter Eltern mein eigenes Leben irgendwann nur noch als unerträglich empfand“.
Seine Eltern waren beide in einer für ihn wichtigen Lebensphase mit ihrer eigenen sehr schwerwiegenden Behinderung beschäftigt, so dass sie für ihn und seine beiden Geschwister keine Zeit, keinen Blick und auch kein Verständnis aufbringen konnten. Hilfen haben sich die Eltern aber auch nicht geholt. Sie wollten es selbst schaffen und waren überfordert.
Der jugendliche Johannes suchte sich eine neue Familie und fand sie bei den Skinheads. Er kleidete sich wie sie, benahm sich wie sie und tat, was sie halt so taten. Das war nun seine Familie, hier wurde er aufgenommen, fand die Geborgenheit, die er zu Hause nicht fand – aber auch nicht in der Schule, der Kirche, einem Verein, der Nachbarschaft, der Gemeinschaft. Es haben viele weggesehen. Und dann erschlug er einen Menschen.
Heute ist er evangelischer Pfarrer, reist herum, spricht von sich selbst, berichtet von seinem Leben und von der Umkehr in seinem Leben. Wie alles begann? „Mit dem Kochen von Kaffee für die Gefängnisgottesdienste.“ Der Gefängnisseelsorger sei jemand gewesen, der nicht fragte, der ihn als Menschen so annahm wie er war – bedingungslos. Das kannte Johannes nicht.
Noch vor wenigen Jahren, so berichtet Johannes Kneifel in seinem Buch „Vom Saulus zum Paulus“ (Wunderlich-Verlag) hätten die Eltern alles getan, um ihre Kinder vor mir zu schützen – jetzt vertrauen sie mir ihre Kinder an, das Wertvollste, was sie haben“. Dieses Vertrauen mache ihn glücklich. Pastor sei sein Traumberuf.
Sein Fazit: „Gott hat mir vergeben, die Gesellschaft hat mir eine neue Chance gegeben, und ich selbst bin ebenfalls dabei, Frieden mit meiner Vergangenheit zu machen. Ich kann mein Leben wieder genießen und andere Menschen schätzen mich und meine Arbeit.“
Mein Fazit: Was alles möglich ist, wenn man den Menschen im Menschen sieht und wenn man weiß, dass jeder irgendwo einen Platz braucht, dazugehören will. Ausgrenzen und das Anderssein betonen, hilft nicht wirklich weiter. Das belegt das Beispiel von Johannes Kneifel sehr nachdrücklich. Es aktualisiert auf wundersame Weise den Kern von Weihnachten.