Bildungsreisen nach Auschwitz fördern – Wider den Vogelschiss, die Verharmlosung und menschenverachtende Verbrechen

Bildungsreisen nach Auschwitz fördern – Wider den Vogelschiss, die Verharmlosung und menschenverachtende Verbrechen

Ich war zweimal in Auschwitz. Die größte Herausforderung ist zu begreifen, wie Menschen anderen Menschen das haben antun können. Es liegt außerhalb jeder Vorstellungskraft.
Es gibt viele Erinnerungen an diese beiden Aufenthalte. Besonders eindrücklich waren die Räume, in denen die Koffer (meist mit Namen und Anschriften) der ermordeten Menschen waren oder deren Schuhe oder deren Kämme. Besonders hinterhältig die ausgeklügelten Maschinerien der Demütigung, des Quälens und des Mordens. Ich habe mich sehr geschämt, das Deutsche meinten, das Recht dazu zu haben, eben weil sie Deutsche waren.

Wie das gelingen konnte? Wie das möglich war? Nun in erster Linie, in dem die Menschen, die dort inhaftiert, ausgebeutet, gequält, gedemütigt und ermordet wurden, nicht als Menschen betrachtet wurden. Ihnen ist das Menschsein abgesprochen worden. Sie wurden als Ungeziefer, als Ratten, als Untermenschen, als Abschaum diffamiert, beschrieben und betrachtet. Und die so dachten, haben sich als etwas Besseres, Erhabeneres empfunden.

Aber natürlich haben auch die Jahrzehnte der Diskriminierung von Menschen jüdischen Glaubens ihren Niederschlag gefunden. Und daran haben viele Akteure in der Gesellschaft mitgewirkt, meist aus niederen Beweggründen.

Es geht um Menschen, die anders sind, die fremd scheinen, die irgendwie nicht ins Bild passen, die erfolgreicher sind oder etwas haben, das man selbst gern haben möchte. Das Feindbild in der national-sozialistischen Zeit (und auch davor) war der Mensch jüdischen Glaubens. Aber nicht nur: auch Roma, Sinti, Homosexuelle, Farbige, Kommunisten … . Wer das verstehen möchte, der sollte das beeindruckende Buch von Götz Aly („Warum die Deutschen? Warum die Juden?“) lesen. Es lässt verstehen, ohne Verständnis zu entwickeln.

Wer heute wieder anderen Menschen ihr Menschsein abspricht, wer sie als Verbrecher, Vergewaltiger und Verkommene bezeichnet – wie das mit Migranten, Geflüchteten, Muslimen, Juden oder Roma, Sinti, Homosexuellen, oder Behinderten in vielen Ländern selbst durch deren (gewählte!) Präsidenten geschieht, der bereitet genau dieser menschenverachtenden Tötungsmaschinerie den Boden, wie die Geschichte sie in Auschwitz (und auch in anderen Konzentrationslagern) erlebt hat.

Wann das einmal aufhören wird? Dann, wenn die Menschen ihre Söhne oder Enkel wieder Adolf nennen. Solange das tabu ist, solange wirkt die Erinnerung. Und das ist gut so. Denn es gibt kein Recht auf Unmenschlichkeit. Das Grundgesetz spricht aus gutem Grund von der unveräußerlichen Würde eines Menschen, nicht von der unveräußerlichen Würde eines Deutschen, eines Weißen, eines Christen, eines Heterosexuellen.

Menschen, die diese Lehren einer verbrecherischen, menschenverachtenden und nationalistischen Diktatur als Vogelschiss abtun, es sogar leugnen oder zu relativieren suchen, haben nicht nur nicht gelernt, sie wollen auch daran wieder anknüpfen. Dass bei der Landtagswahl in Thüringen eine Partei, deren Vorsitzender ein Mann ist, der nachweislich nationalsozialistisches Vokabular benutzt und deren Gedankenwelt teilt, zur zweitstärksten Partei wird, macht mich sprachlos.

Wenn Angela Merkel ihre gut gewählten und sehr authentischen Worte am Nikolaustag 2019 in Auschwitz ernst meinte, sollte eine Reise nach Auschwitz (oder in ein anderes Konzentrationslager) als Bildungsreise steuerlich absetzbar sein. Und Klassenfahrten in solche Gedenkstätten sollten nicht nur Pflicht sein, sondern auch finanziell gefördert werden. Ziel sollte sein, strategisch den Anfängen zu wehren, unsere Jugendlichen nachhaltig mit den Folgen deutscher Geschichte zu konfrontieren, damit das wirklich nie wieder passiert.

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