Die älteren Menschen in Großbritannien haben sich zu zwei Drittel für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) entschieden. Die jüngeren Menschen stimmten zu zwei Drittel für einen Verbleib in der EU. Allerdings haben sie sich nur zu 36 Prozent an der Abstimmung beteiligt. Die älteren Menschen werden die Konsequenz ihrer Entscheidung in der Regel noch bis zu 20 Jahre erleben, die jüngeren hingegen werden in der Regel bis zu 70 Jahre spüren, was diese Weichenstellung bedeutet. Die älteren Menschen werden die wirtschaftlichen Auswirkungen wohl auch deutlich weniger bemerken, denn ihre Renten und Pensionen werden weiterhin gezahlt.
Auch in Deutschland - und in vielen weiteren europäischen Ländern - bestimmen zunehmend die älteren Menschen, wohin die Demokratien gelenkt werden. Die Altersgruppe 65+ ist nicht nur eine der größten (21 Prozent der Deutschen gehören dazu), sondern sie beteiligen sich auch noch zu 80 Prozent an einer Wahl. Da das Durchschnittsalter der Parteimitglieder der CDU und der SPD mittlerweile bei 60 Jahren liegt, wundert auch niemanden, dass die Themen der Älteren dominieren: Rente, Pflege, Sicherheit. Ihre Stimmen können auch leichter durch Ängste mobilisiert werden: Angst vor Neuem, Ungewissem, Fremdem. Zum Vergleich: nur noch 19 Prozent der deutschen Bevölkerung ist unter 18 Jahren. Von den unter 30jährigen beteiligen sich nur 60 Prozent an einer Wahl.
Dabei stehen gewaltige Veränderungen an: demografischer Wandel, Klimawandel, Digitalisierung, Wertewandel, Zuwanderung. Doch eine aktive Zukunftsgestaltung fordert Mut und Bereitschaft zur Veränderung. Es werden zudem innovative, kreative Lösungen gebraucht, denn die Handlungsoptionen der Vergangenheit haben ja diese Probleme erst entstehen lassen. Der BREXIT belegt: Zukunft wird als Hinwendung und damit Verlängerung der Vergangenheit betrachtet. Das wird aber keine zukunftstaugliche Option sein.
Ein wesentlicher Schlüssel zur Gestaltung der Zukunft wird das Miteinander der Generationen sein. Auch wenn die älteren Menschen über 50 ab 2020 in Deutschland bei jeder Wahl die strukturelle Mehrheit darstellen: Umsetzen müssen es die jüngeren. Und wer sagt, dass sie das bereitwillig tun? Werden sie den Rollstuhl schieben? Und wenn ja: in welchem Klima? Das legen wir heute fest.
Was wir in Deutschland dringend brauchen, ist ein strukturierter Dialog der Generationen und Kulturen. Seniorenrat, Jugendparlament, Integrationsausschuss - das ist gestern. Die Zukunft braucht das Miteinander. Wer nun behauptet, dass unsere Stadt- und Gemeinderäte sowie unsere Kreistage doch dafür da seien, der sagt formal die Wahrheit, lügt sich aber praktisch in die Tasche. Denn diese Gremien sind in der Realität längst Seniorenräte. Die Sichtweisen jüngerer Menschen (aber auch von zugewanderten Menschen, von sozial benachteiligten Menschen, von behinderten Menschen) fehlen. Sie werden schon lange nicht mehr repräsentiert.
Und wer in Generationen denkt, sollte lernen in fünf Generationen zu denken: Das geborene Kind hat eine 25jährige Mama, eine 48jährige Oma, eine 72jährige Ur-Oma und eine 93jährige Ur-Ur-Oma. Selbst die Bibel kennt nur drei Generationen: Kinder, Erwachsene, Alte. Da sage noch einer: Es war immer so, es bleibt so und es wird immer so sein!
Wer das kulturübergreifende Miteinander der Generationen will, sollte auch deren Begegnung, Austausch und Ringen strukturell ermöglichen. Die politischen Parteien schaffen dies schon lange nicht mehr. Leider. Die Handlungsfelder sind dabei längst generationenübergreifend zu sehen: Betreuung, Bildung (lebenslanges Lernen), Engagement, Wohnen, Inklusion. Das Politikfeld der Zukunft lautet daher: Generationenpolitik. Diese Lehre für die Zukunft der Demokratie sollten wir auch aus dem Brexit ziehen. Nur: Wir müssen uns auch ändern - wollen.