Die Mär vom „Mehr“: Wahlversprechen in NRW kaum einlösbar

Die Mär vom „Mehr“: Wahlversprechen in NRW kaum einlösbar

Die Wahlplakate im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf signalisieren ein Mehr: Mehr Polizisten, mehr Lehrer, mehr Pfleger … braucht das Land. Nur: Woher kommen diese Menschen, die man mehr braucht?

Nehmen wir zum Beispiel den Rhein-Erft-Kreis, westlich von Köln gelegen: Dort gibt es offiziell 702 Stellen in der Polizei. Davon sind 681 besetzt. Warum 21 Stellen schon heute nicht besetzt sind? Keine Ahnung! Von den 681 Dienst leistenden Polizisten sind 226 älter als 55 Jahre! Das sind 33,2 Prozent. Diese Menschen wollen in den nächsten zehn Jahren ihren Ruhestand antreten und müssen ersetzt werden! Gleichzeitig sollen neue Kollegen eingestellt werden. Nur: die müssen ausgebildet werden. Und diese Situation ist landesweit ähnlich. Fragen Sie Ihren Landrat oder Oberbürgermeister.

Wer den Ausbildungsmarkt betrachtet wird feststellen: 2016 waren 43.500 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Quelle: Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. Da seit 1964 (1.357.304 Geburten) stets weniger Kinder geboren werden, stellt sich die Frage, warum das künftig besser werden soll? 2015 erblickten gerade noch 737.575 Kinder das Licht der Welt in Deutschland. Wenn die Polizei im Wettstreit um die besten Köpfe obsiegt, wer wird dann Lehrer?

Denn auch mehr Lehrer werden versprochen. 26 Prozent der in NRW tätigen Lehrkräfte sind älter als 56 Jahre. Die müssen ersetzt werden! Der Personalmarkt für Lehrer (insbesondere mit sozialpädagogischer Ausbildung für die Inklusion) ist praktisch leer gefegt. Es wird auch nicht genügend ausgebildet. Woher sollten die auch kommen? Siehe oben!

Ach ja: die wollen alle Pfleger in einer Einrichtung für ältere Menschen werden? Komisch ist nur, dass die Bundesagentur für Arbeit im Januar 2017 festgestellt hat, dass eine Stelle, die frei wird, im Durchschnitt 98 Tage unbesetzt bleibt, bevor sie wieder besetzt werden kann, im Pflegebereich liegt die Quote bei 164 Tagen!

Gleichzeitig waren seit der Wiedervereinigung noch nie so viele Menschen in Deutschland beschäftigt, so wenige Menschen arbeitslos und so viele Stellen unbesetzt!

Das Mehr ist also eine Mär! Dieser Wahlkampf wird der letzte sein, indem das versprochen werden kann, weil die meisten Wähler/innen diese Zusammenhänge noch immer nicht wahrnehmen. Man nennt das auch demografischer Wandel. Der wirkt, auch wenn wir ihn ignorieren.

Nur: Was sagt uns das über die Kandidaten und Parteien? Wissen sie nicht um diese Zusammenhänge? Oder wissen sie darum und lügen uns an?

Es bleibt dabei: die Zukunft ist nicht die Verlängerung der Vergangenheit. Neue Ideen und Konzepte werden gefragt sein – aber leider erst nach der Wahl, wenn offensichtlich wird, dass die Versprechen nicht haltbar sein werden.

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