Zukunft zu beschreiben ist für viele Menschen identisch mit dem Blick in eine Glaskugel. Dabei wissen wir schon heute viel über unsere Zukunft. Denn wir kennen einen Rahmen, im dem sie stattfinden wird und der durch sogenannte Megatrends beschrieben wird. Wir nehmen es nur nicht wahr, weil wir uns gern im Gewohnten und Bekannten ausruhen, weil wir Veränderungen scheuen.
Ich möchte diese Megatrends als die fünf D’s der Zukunft bezeichnen. Dazu zählen die Demografie, die Digitalisierung, die Diversität, die Dekarbonisierung und die Demokratie.
Demokratie: Wir wünschen uns alle, uns jederzeit frei bewegen und entfalten zu können. Das gelingt am besten in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat, der der Bevölkerung die Möglichkeit schenkt, Politiker*innen abzuwählen, wenn sie ihre Arbeit aus Sicht einer Mehrheit nicht gut machen. In Deutschland wird Politik von politischen Parteien gemacht. Die aber verlieren Mitglieder und Rückhalt in der Bevölkerung. Immer weniger machen von ihrem Teilhaberecht (Wahlstimme abgeben und sich als Kandidat*in zur Verfügung zu stellen) Gebrauch. Hinzu kommt, dass die strukturelle Mehrheit bei jeder Wahl bei den Menschen über 55 Jahren liegt. Veränderung tut not, wird sie aber noch von den Älteren gewollt? Wie erhalten wir unsere Demokratie lebendig und welche Formate müssen entwickelt werden, damit alle Blickwinkel eingebracht werden können?
Dekarbonisierung: Der Klimawandel und dessen Folgen werden unser Leben nachhaltig beeinflussen. Wer seinen Enkelkindern bzw. Urenkelkindern eine lebenswerte Zukunft hinterlassen will, der muss für nachhaltige Veränderungen bereit sein, die ein Leben, ein Reisen, ein Produzieren und Konsumieren nachhaltig ermöglichen. Noch nie zuvor hat ein Bundesverfassungsgericht ein Recht der zukünftigen Generationen als Rechtsgut eingeführt. Doch Dekarbonisierung ist mehr als die Gestaltung des Klimawandels. Wir dürfen fossile Energieträger nur so weit nutzen, wie der für den Klimawandel verantwortliche Stoff (u. a. CO2) von der Natur aufgenommen werden kann. Die Erde wird die Klimaveränderungen überleben, die Menschheit in großen Teilen nicht!
Diversität: Noch nie war unsere Gesellschaft so vielfältig, so verschieden, so bunt. Es tummeln sich fünf Generationen, drei Geschlechter, unzählige Familienformen, mehrere Milieus und soziale Lebenswirklichkeiten, zig Kulturen und Religionen sowie unzählige Talente. Sie wollen alle gesehen, wertgeschätzt und in ihrer Individualität mitgenommen werden. Ziel ist eine inklusive Gesellschaft. Hier müssten Mehrheiten Minderheiten lernen zu akzeptieren und auf Augenhöhe zu beteiligen.
Digitalisierung: Noch nie war von den Menschen ein Technikangebot entwickelt worden, das nicht nur eine bisherige Technik (analog) in eine neue Technik (digital) verwandelte, sondern wo die digitalen Technikangebote auch untereinander kommunizieren, ohne dass wir Menschen das beeinflussen können. Beherrscht der Mensch die Technik oder die Technik uns Menschen? Hier ist Medienkompetenz für alle Menschen gefragt, die uns befähigt, selbstbestimmt diese Technikmöglichkeiten in unseren Alltag für unsere gesellschaftliche Zukunft zu nutzen. Davon sind wir noch weit entfernt.
Demografie: Noch nie gab es in der Geschichte der Menschheit Gesellschaften, in denen die Älteren über 65 Jahre mehr Menschen zählten als die Menschen unter 20 Jahren. Wir schicken mehr Menschen in den Ruhestand als neu in den Arbeitsmarkt hineinwachsen. Ziel ist es, völlig neue soziale gesellschaftliche Realitäten zu gestalten. Wer verwundert darüber ist, dass wir immer mehr Menschen in einer Pflegewirklichkeit haben werden und gleichzeitig immer weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen, der hat den demografischen Wandel bis heute nicht begriffen. Das sind erstaunlich viele Menschen.
Wer diese Megatrends erkennt und in sein auf die Zukunft ausgerichtetes Handeln einbettet, der wird auch seine Zukunft aktiv gestalten können.
Hinzu kommen noch aktuelle Krisen, die in einem beschleunigten Tempo von uns gestaltet werden wollen (Menschen, die zu uns fliehen, Pandemien, auf die wir nicht vorbereitet sind, Hochwasser, die zu beschreiben uns die Worte fehlen, kriegerische Auseinandersetzungen, die wir nicht mehr für möglich gehalten haben). Doch die Fokussierung auf die Krisenbewältigung reicht nicht mehr, denn die Megatrends wirken gleichzeitig weiter, sie beeinflussen einander und stellen auch füreinander Lösungsangebote dar. Doch wir denken nicht in Zusammenhängen, wir denken noch sehr verwaltungsorientiert: eins nach dem anderen und bitte nach Zuständigkeit. Gleichzeitig haben wir seit Jahrzehnten alle Erkenntnisse, die absehbar waren, ignoriert. Nun kommt alles gleichzeitig und mit großem Handlungsdruck. Und wir alle tun sehr überrascht, obwohl alles schon lange als Erkenntniswissen vorlag.
Konsequenz ist unter anderem, dass wir alle unsere Resilienz stärken müssen, also unsere Fähigkeit auf Veränderungen und Krisen höchst flexibel zu reagieren und zu erkennen, dass Lösungen von gestern uns heute nicht mehr automatisch weiterhelfen. Denn die Zukunft ist nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit. Das Bild der Zukunft ist das Schilfgras, dass sich beugt, aber nicht bricht und sich auch nach dem stärksten Sturm wieder aufrichtet. Wir müssen mehr wie das Schilfgras werden.
Konsequenz ist aber auch und vor allem die Bereitschaft, sich endlich mit den Megatrends auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass sie für nachhaltige Veränderungen verantwortlich sein werden, die wir mit Instrumenten von gestern nicht mehr lösen können.
Schließlich bleibt die Herausforderung in Zusammenhängen zu denken, Zuständigkeitsgrenzen zu verlassen und im Lösungsgestaltungsprozess den Schulterschluss von Betroffenen, Beteiligten sowie Expert*innen so zu organisieren, damit die anstehenden Veränderungen gelingen können.