Die Türkei eine Diktatur? Was könnten Sie tun?

Die Türkei eine Diktatur? Was könnten Sie tun?

Die Erfahrung der jüngsten Geschichte zeigte stets, dass es nicht klug ist, sich in die Angelegenheiten anderer Länder direkt, zum Beispiel militärisch, einzumischen. Gleichwohl leben mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland, die direkt oder indirekt noch mit der Türkei zu tun haben. Weil sie türkisch-kulturelle Wurzeln dort haben. Weil Familienangehörige dort leben und arbeiten. Auch sind 6.500 deutsche Unternehmen in der Türkei mit einer Vertretung präsent oder an türkischen Unternehmen beteiligt. Es wird uns also betreffen, wenn die Türkei in eine Diktatur abrutscht.

Wenn ein Militärputsch, er mag noch so dilettantisch gewesen sein, genutzt wird, um zum Beispiel 21.000 Lehrer/innen privater Schulen und rund 15.000 Lehrer/innen an staatlichen Schulen zu entlassen bzw. deren Suspendierung anzukündigen, dann fragt man sich, wie sieht künftig die Ausbildung junger Menschen aus? Rechnen, Lesen und Schreiben wird nicht mehr gebraucht, weil nur noch zu tun ist, was der Präsident sagt und will?

Wir in Deutschland könnten und sollten etwas tun:

Erstens: Das Gespräch mit türkisch-stämmigen Bürger/innen in Deutschland suchen. Meinungen hören. Sie auf den Nutzen demokratischer Grundprinzipien, die sie alle in Deutschland genießen, aufmerksam machen. Fragen stellen. Werte austauschen und diskutieren. Freundlich, gleichwohl positionierend. Ziel ist es, sie in ihren Gemeinden als Meinungsbildner zu gewinnen.
Zweitens: Den Dialog mit türkischen Migrantenorganisationen (Moscheevereine, Kurden, Alewiten etc.) suchen und gemeinsame Wertvorstellungen klar stellen: Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit. Jeder Verein in Deutschland profitiert davon, auch Moscheegemeinden. Dabei gilt es auch den Mut zu haben, Grenzen zu ziehen zu jenen, die zum Beispiel rassistisches Gedankengut vertreten.
Drittens: Wir sollten jene (muslimischen) Kräfte in den türkisch-stämmigen Gemeinden stärken, die selbst nicht wissen, wie sie Scharfmachern, Ideologen und radikalen Islamisten gegenübertreten sollen. Denn sie verbreiten nicht nur Angst unter Deutschen, sondern auch unter Türken in Deutschland. Wir müssen das Klima mehrheitlich so gestalten, dass die demokratisch gesinnten Menschen Mut haben, sich öffentlich zu äußern. Es braucht dazu kommunale Dialogstrukturen. Es ist zumal eine Chance, diesen Dialog in vielen Städten und Gemeinden endlich zu gestalten.
Viertens: Alle Menschen, die in Unternehmen arbeiten, die direkt oder indirekt in der Türkei eigene wirtschaftliche unternehmerische Interessen haben, sollten mit ihren Firmenleitern klären, wie sie die Situation gestalten können – für mehr Menschenrechte, für mehr Demokratie, für den Dialog.
Fünftens: Alle Menschen, die überlegen, in der Türkei ihren Urlaub zu verbringen, sollten davon Abstand nehmen. Wenn etwas den Präsidenten und die Scharfmacher in die Schranken weisen könnte, dann wären das harte wirtschaftliche Konsequenzen. Denn der Präsident und seine AKP sind auch deshalb an der Macht, weil viele Menschen in der Türkei ihren Wohlstand mit der Politik der letzten zehn Jahre in Verbindung bringen.
Sechstens: Jeder aufrechte Muslim, der stets behauptet hat, dass ein Muslim nicht töten dürfe, da der Koran dies verbiete, muss nun erkennen, dass viele Muslime anderen Türkischstämmigen – auch via Facebook – den Tod ankündigen. Das macht sprach- und hilflos.
Siebtens: Wer glaubt, all dies habe nichts mit ihm zu tun, der irrt. Denn die Auswirkungen werden sich auch in den Flüchtlingszahlen niederschlagen. Der Druck, aus der Türkei auszuwandern, wird deutlich anwachsen, nicht nur unter Akademikern. Es liegt im Interesse aller Menschen, dass die innertürkischen gesellschaftlichen Probleme nicht nach Deutschland überschwappen.

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