2015 stand und steht noch im Zeichen von Flucht und Flüchtlingen. Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht, eine Million davon ist in Deutschland angekommen: auf 80 Deutsche kommt somit ein Flüchtling. (Zum Vergleich: In Jordanien kommt auf 10 Jordanier ein Flüchtling.) Manchen Menschen macht das Angst.
Die berühmteste Flüchtlingsfamilie sind Maria, Josef und Christus. Wer erinnert sich nicht an das Lukasevangelium, an die Weihnachtsgeschichte, die in diesem Jahr millionenfach aktualisiert wird? Damals blieb als Herberge nur der zugige Stall. Ich bin stolz, in einem Land zu leben, dass aus dieser Geschichte gelernt hat, auch wenn nicht wenige das gern ändern würden.
Wer sich mit den Themenfeldern Flucht, Fluchtursachen, Fluchtwege, Flüchtling auseinandersetzen möchte, dem seien vier Bücher empfohlen, die sich allesamt als ideale Weihnachtsgeschenke eignen.
Tipp 1: Rafik Schami: Eine Hand voll Sterne.
Das "Buch für die Stadt" des Kölner Stadt-Anzeiger 2015 trifft voll den Geist der Zeit. Es erzählt die Geschichte eines syrischen Jugendlichen, der in seiner Heimat gern lebt, nicht zuletzt, weil er sich dort verliebt und weil er es auch gar nicht anders kennt. Dabei werden Willkür, Unrecht, Angst und politische Unfreiheit thematisiert. Aber die schöne, lesenswerte Geschichte macht deutlich, dass es sehr viel mehr braucht, um einen Menschen zu bewegen, seine Heimat zu verlassen. Das macht keiner gern - auch nicht in Syrien.
Tipp 2: Christoph Reuter: Die Schwarze Macht.
Der Untertitel des Buches des Spiegel-Nahostkorrespondenten "Der Islamische Staat und die Strategen des Terrors" verdeutlicht, worum es geht. Flucht wird verursacht, wird gemacht. Nicht selten von anderen, die von außen vorgeben, etwas Gutes zu tun. Der Autor beschreibt sehr sachkundig, warum es den Islamischen Staat überhaupt gibt, wer ihn groß gemacht hat, wie er wirkt und was ihn hält. Wer verstehen will, was da in Syrien und im Irak zur Zeit geschieht, der sollte dieses Buch lesen. Es ist gleichzeitig eine Beschreibung der politischen Situation im Nahen Osten. Es wird deutlich, dass ein Krieg keine Lösung bringen wird.
Tipp 3: Eric-Emmanuel Schmitt: Odysseus aus Bagdad.
Warum macht sich ein junger Mann auf den Weg von Bagdad über Kairo, Libyen, Malta, Frankreich nach Großbritannien? Was erlebt er auf diesem Weg? Was motiviert ihn? Wie überlebt er? Gut recherchiert, sehr lebendig, berührend, zeitweise atemberaubend und brutal, aber stets humorvoll und schmunzelnd. Wer dieses Buch gelesen hat, wird nachvollziehen können, was die meisten Menschen auf ihrer Flucht bewegt und gemeistert haben. Er wird aber auch begreifen, dass längst nicht jeder diesen Weg erfolgreich abschließt.
Tipp 4: Roland E. Koch: Unter fremdem Himmel.
Sie sind in Deutschland. Illegal. Sie verstecken sich, sind angewiesen auf Hilfe. Und sie finden jemanden, der in einem kleinen Dorf allein ist, alt ist, wenig Sinn in seiner Zukunft sieht. Dann treffen sich diese Welten und geben einander das, was die jeweils andere Welt nicht hat und bietet. Es ist eine wunderschöne Geschichte, welche Möglichkeiten Flüchtlinge in einer älter werdenden ländlichen Gegend haben könnten. Wir brauchen diese Geschichten, da sie die Chancen vermitteln, die Zuwanderung auch hat.