Die Vereinten Nationen schätzen, dass weltweit 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Die Gründe sind vielfältig: Umweltkatastrophen, Hunger, Bürgerkriege, wirtschaftliche Not. Rund 75 Prozent der Flüchtenden verbleiben im eigenen Land bzw. in der jeweiligen Region. 25 Prozent der Flüchtlinge nehmen zum Teil weite Wege und enorme Strapazen auf sich. Nicht selten verdienen skrupellose Menschen mit der Flucht viel Geld, nicht wenige der Fliehenden verlieren ihr Leben.
In den ersten fünf Monaten kamen allein rund 125.000 Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland. Doppelt so viele wie noch ein Jahr zuvor. Es sind zumeist junge Menschen, darunter auch Jugendliche, Minderjährige. Aber auch ganze Familien. Grundsätzlich kann gesagt werden: Niemand verlässt gern seine Heimat, vor allen Dingen nicht Minderjährige oder Familien. Nicht wenige sind traumatisiert, wenn sie irgendwo ankommen. Das einzige, was sie treibt: die Hoffnung auf ein "normales" Leben: arbeiten, wohnen, Familie gründen, lachen, leben.
Dass die Flüchtlinge die Deutschen beschäftigen, belegen Umfragen. Allensbach hat ausgemacht, dass 65 Prozent sich in der Woche vor der Befragung über das Wetter unterhalten haben (Top-Thema!), 62 Prozent aber auch über die Flüchtlingssituation sprachen. Das ist mithin das zweitwichtigste Gesprächsthema. Doch welcher Tenor steht dabei im Vordergrund? Flüchtlinge als Chance für Deutschland?
In Deutschland, wie auch in vielen anderen Teilen Europas, treffen sie auf eine relativ alte Bevölkerung. Im Vergleich: In Deutschland ist zurzeit jeder zweite Bürger älter oder jünger als 45 Jahre (Medianalter). In nicht wenigen Ländern Afrikas liegt das Medianalter bei 15 Jahren! Die Frage lautet in 20 Jahren bei uns, insbesondere im länglichen Raum: Wer schiebt den Rollstuhl? Wer repariert den Wasserrohrbruch? Wer bringt die Lebensmittel? Wer fährt Taxi oder Bus? Wer bringt die Post? In Deutschland fehlen junge Menschen überall. Wir spüren es längst am Ausbildungsmarkt, sind aber immer noch erstaunt, wenn es heißt, dass Stellen nicht besetzt werden können.
Wer es nüchtern betrachtet, muss erkennen: die jungen Menschen, die aus der ganzen Welt bei uns stranden, sind eine große Chance in einer älter werdenden Gesellschaft. Doch wir sehen diese Chance nicht. Im sächsischen Freital formieren sich Menschen, die Flüchtlinge vor laufenden Kameras als "Dreck" beschimpfen, den man dort nicht will. Dabei kann auch deren Blut Leben retten!
Wer die Chance ergreifen will, sollte diese Menschen willkommen heißen, sie dezentral unterbringen, ihnen freiwillige Paten zur Seite stellen, professionelle Sprachkurse anbieten, Berufs- und Ausbildungsabschlüsse schnellstens anerkennen. Das ist keine alleinige kommunale Aufgabe, sondern eine Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Jeder investierte Euro kann hier nachhaltig Zukunft gestalten. Die Rendite könnte gigantisch sein. Doch wir müssen umdenken. Das wäre aktive Willkommenskultur auf dem Hintergrund des demografischen Wandels. Redet darüber.