Es wird in den Nachrichten immer wieder berichtet: Es fehlt nahezu in jeder Branche an Fachkräften. Und der Bedarf daran werde noch zunehmen. Wenn ich jetzt sage, dass das klar war, dann schütteln viele den Kopf, weil man das doch nicht kommen sehen habe können. Wer habe gewusst, dass die deutsche Wirtschaft derart brumme und die Arbeitslosenzahlen derart niedrig seien und dass – zum Beispiel im Baugewerbe – viele Aufträge liegen bleiben, weil es an den geeigneten Fachkräften fehle? Doch das ist seit mindestens 18 Jahren klar, nur viele – auch in den sich gern auf die Schulter klopfenden Konzernzentralen – haben gepennt.
Denn der Wirtschaftsboom hat nur etwas verstärkt, was demografisch längst jedem hätte klar sein müssen. Bitte vergegenwärtigen Sie sich zwei Geburtsjahrgänge: 1964 erblickten 1.357.304 Kinder das Licht der Welt (Ex-DDR und Ex-BRD gemeinsam), 2013 waren es nur noch 682.069 Kinder, also rund die Hälfte. Wenn also die 1964 Geborenen 2031 ihren gesetzlichen Ruhestand (nach derzeitigem Rentenrecht mit 67 Jahren) beginnen, können die von ihnen eingenommenen Arbeitsplätze nur noch zur Hälfte von den 18-Jährigen, die theoretisch in den Arbeitsmarkt kommen, wieder besetzt werden, die andere Hälfte ist nicht mehr da. Und nachgebären geht nicht. Und der Geburtenjahrgang 2013 ist kein Ausrutscher, sondern die Regel (2009 waren es nur 665.126 und 2015 waren es 737.575 Kinder.)
Wenn Ihnen also die Politik mehr Lehrer/innen, mehr Polizist/inn/en, mehr Erzieher/innen, mehr Altenpfleger/innen, mehr Handwerker/innen, mehr Ingenieur/innen, mehr Ärzt/inn/e/n etc. verspricht, frage ich: „Wo sollen die her kommen?“ Denn Zuwanderung wollen ja viele Menschen auch nicht, obwohl zum Beispiel die geflüchteten Menschen, sofern uns deren rasche Integration gelingt, eine große Chance darstellen, dieses Problem zu minimieren. Und ein Einwanderungsgesetz scheint ebenso noch ein Fremdwort zu sein.
Gerade die (alten) Männer in der AfD und in der CSU wollen keine Zuwanderung. Sie wollen, dass unsere Frauen wieder mehr Kinder bekommen. Aber wollen das „unsere“ Frauen auch? Und selbst dann, wenn mehr Kinder geboren werden: In Deutschland mangelt es massiv an Kinderärzt/inn/e/n, Erzieher/innen und Lehrer/innen. Wie gestalten wir also eine Gesellschaft, in der sich nicht nur durch die Digitalisierung, sondern auch durch die Demografie unglaublich viel verändern wird? Aber war das ein Thema in dem vergangenen Bundestagswahlkampf? Da hieß es doch „Weiter so!“.
Wenn die Fachkräfte also nicht mehr so auf der Straße stehen und darauf warten eingestellt zu werden, dann wird die Bindung des gegenwärtigen Personals, deren Fortbildung, Entwicklung und Gesunderhaltung zu den großen Herausforderungen für die Führungskräfte. Nicht mehr der Arbeitgebende entscheidet künftig, ob jemand bei ihm arbeitet, sondern der Arbeitnehmende entscheidet, wo er unter welchen Bedingungen beschäftigt sein möchte. Diejenigen Führungskräfte, die nicht mit Menschen umgehen können, werden also künftig niemand mehr haben, den sie schikanieren können. Und auch Mobbing hat keine Zukunft, weil es mehr denn je, auf das Klima im Team am Arbeitsplatz ankommen wird. Denn jeder Mensch wird gebraucht.
Die Arbeitgebenden, die hier zu spät kommen, werden vom Leben bestraft. Und nicht nur die. Denn die Währung der Zukunft lautet Talent und nicht mehr Abschlusszeugnis.