Dass sich unser Klima weltweit nachhaltig verändert, machen tägliche Berichte deutlich. Wer will, erkennt, dass es noch nie so warm war auf unserem Planeten, dass Gletscher schmelzen, die Jahrhunderte im ewigen Eis verpackt waren, dass Meeresspiegel sicht- und spürbar steigen, dass immer mehr Wetterkapriolen erlebt werden, dass es mehr tropische Nächte im Sommer gibt und dass Pflanzen wachsen, die zuvor keine passenden klimatischen Bedingungen kannten. Der Klimawandel ist Fakt.
Nur: Wie bewertet man ihn? Der Schriftsteller und Historiker Philipp Blom hat ein Buch geschrieben, dass er als ‚Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 – 1700‘ erzählt: „Die Welt aus den Angeln“ heißt es. Darin führt er historische Fakten auf. Wie die Welt und die darauf lebenden Menschen auf eine starke Abkühlung reagierten, die etwa zwei Grad unter dem Durchschnitt des 20. Jahrhunderts war. Die Menschen wussten darüber nichts. Sie mussten „nur“ reagieren und mit der plötzlichen Kälte klarkommen. Das gelang längst nicht allen. Fakt ist: diese Temperaturveränderungen haben Einfluss auf alle Lebensbereiche. Und sie verändern in mannigfacher Weise.
Wir wissen heute – und übrigens nicht erst seit gestern – dass der Klimawandel auf uns zukommt. Die Wissenschaft beschreibt es seit mehr als 20 Jahren. Doch wir wollten alle nicht hören und wahrhaben. Nahezu jedes Landesumweltministerium veröffentlichte Broschüren – so auch NRW 2009 – wie der Klimawandel vor Ort wirken wird und welche Anpassungsstrategien gefahren werden könnten. Doch getan wurde wenig oder auch gar nichts. Welche Kommune hat Klimaschutzkonzepte aufgelegt? Hätte, hätte, Fahrradkette.
Wir wissen, dass der Ausstoß von Kohlendioxid vermieden werden muss, um die Wirkungen abzumildern, den Klimawandel als „beherrschbar“ erscheinen zu lassen. Dazu tragen viele Faktoren bei: Wie wir wohnen, wie wir heizen, wie wir uns fortbewegen, wie wir uns ernähren, wie wir die Industrieprozesse gestalten, wie wir Energie erzeugen … . Es gäbe viele Möglichkeiten, das Klima zu schützen. Doch wir packten nicht bzw. zu wenig an.
Und wenn angepackt wird, dann schreien insbesondere diejenigen auf, die davon betroffen sind. Es braucht ein Gesamtkonzept, in dem das Ende des Kohleabbaus und der Kohleverstromung ein Puzzleteil ist. Wer glaubt, dass die Kohle die Klimazeche allein zahlt, der irrt.
Ich bin dankbar für den sogenannten Kohlekompromiss, weil er zum einen belegt, dass eine Einigung der Interessen möglich ist und weil er zum anderen verdeutlicht, dass Kohle allein nicht ausreicht. Die junge Generation wacht nun auf und engagiert sich in sogenannten Freitagsdemonstrationen. Ihre Eltern und Großeltern haben das rechtzeitige Handeln versäumt. Sie werden das ihren Kindern (Enkelkindern und Urenkelkindern) eines Tages erklären müssen.
Bei allen Kontroversen wird übersehen, die Wechselwirkungen zu anderen aktuellen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen mit zu beachten: demografischer Wandel, technischer Wandel (Digitalisierung), wirtschaftlicher Wandel (Globalisierung), Wertewandel. Sind heute rund 21 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung älter als 65 Jahre, werden es 2030 schon 28 Prozent sein. Der Klimawandel wird zu deutlich höheren Temperaturen und zu mehr Herz-/Kreislauferkrankungen und damit zu Todesfällen führen. Der Mangel an Ärzten und Pflegenden ist heute schon ein Thema, insbesondere im ländlichen Raum. Der Klimawandel wird zu neuen Fluchtwellen von Menschen aus Gebieten führen, die unbewohnbar sein werden. Der Handlungsdruck wird zu vielen neuen technischen Innovationen führen, die wir heute noch nicht kennen (Industrie 5.0). Der Klimawandel wird die Welt noch enger zusammenrücken lassen.
Die drei T’s der Zukunft lauten: Technik, Talent und Toleranz.
Toleranz fängt bei den Klimaschutzengagierten an und hört nicht bei den Kohlekumpeln auf. Die wirklichen gesellschaftlichen Kontroversen kommen erst noch – und sie müssen geführt werden, sonst gewinnen nur Populisten (und die verstärken den Klimawandel, weil sie ihn schlichtweg leugnen). Weiter kommen wir alle nur, wenn wir nicht auf Maximalforderungen beharren und die eigene Veränderung nicht länger ausschließen. Die Zukunft ist nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit.