Man kümmert sich um ein Burka-Verbot vor Gericht, nicht um Menschen ohne Krankenversicherung

Man kümmert sich um ein Burka-Verbot vor Gericht, nicht um Menschen ohne Krankenversicherung

Die Lektüre des ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ vom 25. Juli 2017 verweist auf ein politisches Dilemma.

Auf der Titelseite prangt in großen Lettern die Ankündigung, dass in NRW vor Gericht ein Burka-Verbot angestrebt wird. Frage: Wie viele Frauen, die eine Burka tragen, stehen in NRW täglich vor ihren Richtern? Auf Seite 8 dieser gleichen Ausgabe lese ich einen Bericht über den Solinger Arzt Christoph Zenses, der mit seinem Team ehrenamtlich Menschen ohne Krankenversicherung (nicht selten mit starken Schmerzen) behandelt.

Rund 300 Menschen stünden in seiner Kartei. Die Erkenntnis des Solinger Arztes: „Um diejenigen, die aus dem System gefallen sind, kümmert sich keiner, auch nicht die Politik.“

Wenn allein in Solingen 300 Menschen in der Kartei stehen, wie viele muss es dann NRW-weit geben? 100.000? 200.000?

Ich bin erschrocken, dass es in Deutschland überhaupt so viele Menschen sind, die eine medizinische Behandlung nicht als selbstverständlich ansehen können, wenn sie krank sind. Und darum kümmert sich keiner? Obama-Care auch ein Thema in Deutschland? Trump-Care bei uns Realität?

Nun: Politik in NRW ist beschäftigt. Es gilt, Burka-tragende Frauen vor deutschen Richtern zu entschleiern. Wahrscheinlich kommt das irgendwo auch irgendwann vor. Ich lese jedenfalls nichts über Burka-tragende Frauen, die in Deutschland einbrechen, morden, stehlen, prügeln … . Oder verschweigt der ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ diese Realität?

Bei manchem Wähler bzw. bei mancher Wählerin punkten Politiker/innen damit – vielleicht. Bei mir nicht.

Richtig ist, dass die Burka ein verachtenswertes Kleidungsstück ist und eine Religion, die dies von Frauen verlangt, keinen Pfifferling wert ist. Richtig ist aber auch, dass wir die wirklichen Probleme und Herausforderungen damit nicht angehen.

Investierten wir die gleiche Energie zum Beispiel darin, allen Menschen einen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen (wobei es immer Ausnahmen geben wird), gäbe es vielleicht das ehrenamtliche Engagement des Solinger Arztes Christoph Zenses nicht, aber ein Stück mehr Gerechtigkeit.

Herr Schulz, hier haben Sie Ihr Thema. Oder streiten Sie auch lieber über Burkas vor Gericht, über die sich kein Richter im Alltag beklagt?

Right Menu Icon