Angela Merkel strebt eine weitere Kanzlerschaft an. Nach gegenwärtigen Prognosen dürfte sie ihr Ziel erreichen. Doch was wird das für Deutschland, für uns bringen?
Sie ist ohne Zweifel jemand, die international über hohe Autorität verfügt und diese auch stabilisierend in einer sich temporeich veränderten internationalen Gemengelage einzubringen versteht. Sie ist zudem jemand, die ein klares Wertekorsett hat, dass sie bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme beeindruckend zu Tage gefördert hat. Damit steht sie für Sicherheit und Verlässlichkeit - hohe Güter und Werte, gerade in einer älter werdenden Gesellschaft.
Gleichwohl stehen gewaltige gesellschaftliche Veränderungen an, die aktiv zu gestalten sind, wo ein "Weiter so!" nicht mehr ausreichen wird. Die derzeitige Bundesregierung hat diesen Veränderungen nur bedingt Rechnung gezollt. Die Diskussionen in den Medien, auf den Parteitagen und in den Talkshows machen ebenfalls einen Bogen um diese Zukunftsfragen.
Beispiele?
2031 wird der geburtenstärkste Jahrgang Deutschlands in Rente gehen. Deren Arbeitsplätze werden dann nur noch zur Hälfte wieder besetzt werden können, da die andere Hälfte nicht mehr geboren ist. Wie gestalten wir das? Ideen, Diskussionen: Fehlanzeige.
Der Migrationsdruck wird weltweit noch zunehmen: die Klimaveränderungen werden zu neuen Fluchtbewegungen führen, ebenso die demografischen Entwicklungen in Afrika. Etliche hängen noch immer an der These, wir seien kein Einwanderungsland und meinen mit Burka-Verbot und Staatsangehörigkeitsformalia ließen sich diese Fragen regeln. Deutschland ist das älteste Land Europas: Jeder zweite Bürger ist älter oder jünger als 45. Das jüngste Land der Welt ist Niger mit einem Medianalter von 15 Jahren. Wenn diese Menschen auf Wanderschaft gehen, was dann? Ideen, Diskussionen: Fehlanzeige.
Die Digitalisierung wird unser Zusammenleben in allen Lebensbereichen nachhaltig verändern. Die Frage, ob der Computer den Menschen bestimmt, wird Realität, denn längst kommunizieren künstliche Intelligenzsysteme miteinander, ohne den Menschen zu beteiligen. Diese Herausforderung wird gerade in einer älter werdenden Gesellschaft mit einer enormen (Weiter-)Bildungsanstrengung gestaltet werden müssen. Doch die "Bildungsrepublik", die Angela Merkel vor einigen Jahren als Vision beschrieb, dümpelt vor sich hin. Noch immer sind Bildungserfolge stark abhängig von Herkunft und sozialer Lebenssituation. Was sagt uns das, angesichts eines Migrationshintergrundes von 36 Prozent und einer Hartz-IV-Quote von 17 Prozent bei den Neugeborenen? Ebenso wird die Floskel vom lebenslangen Lernen noch zu wenig mit Inhalt gefüllt. Ideen, Diskussionen: Fehlanzeige.
Die Verwaltungen in Deutschland altern in einem Ausmaß, dass den Standort Deutschland in Frage stellt. 25 Prozent der Beschäftigten in den deutschen Behörden von Bund, Ländern und Kommunen sind älter als 55 Jahre. Nur 12 Prozent sind jünger als 30 Jahre. Wer verwaltet uns künftig in welcher Qualität? Die Verwaltungen von heute werden 2030 völlig anders aussehen müssen. Ideen, Diskussionen: Fehlanzeige.
Diese Zukunftsfragen drängen, sind absehbar zu beantworten. Doch wo werden sie diskutiert? Wetten, dass diese Fragen auch nicht die Wahlkämpfe in Bund und Ländern 2017 inhaltlich bestimmen werden? Dort wird Politik noch immer betrieben als Verlängerung der Vergangenheit - und immer mehr Wähler/innen wünschen sich das auch angesichts des Tempos der von ihnen immer weniger verstandenen Veränderungen und wählen möglichst einfache Losungen, Optionen und Ideen der Vergangenheit. Doch diese Fragen brauchen Antworten, die das Morgen und Übermorgen im Blick haben. Wer sie nicht gibt, vertagt erneut die Zukunft, egal welchen Alters.