Ob Kindergärten oder Krankenhäuser – nicht Stellen, sondern Fachkräfte lautet die neue Währung der Zukunft

Ob Kindergärten oder Krankenhäuser – nicht Stellen, sondern Fachkräfte lautet die neue Währung der Zukunft

In meinem Heimatort sollte im November 2020 ein provisorischer Kindergarten mit 50 Plätzen eröffnet werden. So hieß es jedenfalls kurz vor der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl im September 2020. Der Kindergarten wird dringend gebraucht, da viele Kinder auf einen Platz warten. Doch nun heißt es plötzlich, die Eröffnung könne erst im Frühjahr 2021 erfolgen. Grund: Fachkräfte fehlen. Der Kölner Stadt-Anzeiger thematisiert am 8. Dezember 2020 genau dieses Fachkräftethema auf seiner Seite 3. Wir können dort lesen, dass 2025 rund 200.000 Erzieher*innen fehlen werden?

Dabei hat der Deutsche Kita-Verband am 13. Juli 2020 schon in einer Pressemitteilung klar gesagt, dass bereits jetzt rund 100.000 Fachkräfte für die Betreuung von Kindern in den Kindertagesreinrichtungen fehlen. Auch die Bundesagentur für Arbeit ordnet diesen Beruf als Engpassberuf ein, denn es werden mehr Stellengesuche als arbeitslose Erzieher*innen gezählt. Es braucht lange, um Stellen geeignet zu besetzen. Doch das ist alles nicht neu.

Warum das so ist? Hier wirken mehrere Faktoren gleichzeitig. Durch den massiven Zuzug aus dem Ausland sind sehr viele junge Menschen gekommen, die im gebärfähigen Alter waren bzw. sind. Auch die Erzieher*innen altern, gehen in den Ruhestand und müssen ersetzt werden. Die Betreuung wurde deutlich erweitert auf null- bis Dreijährige, zumal die Wirtschaft jeden Vater und jede Mutter als Fachkraft braucht und die Zahl der Nachwachsenden hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verringert, seit 1964 fast halbiert. Der Zuzug in diesem Ausmaß konnte nicht vorher gesehen werden, aber alle anderen demografischen Wirkmechanismen schon.

Ein anderes Beispiel liefert in diesen Tagen der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Er zieht aus der Corona-Pandemie die Lehre, dass wir alle Krankenhäuser in NRW brauchen. 90 Prozent der Bevölkerung solle nicht länger als 20 Minuten von einem Spital entfernt leben, findet er. Gut. Doch auch hier bleibt er die Frage schuldig, woher kommen die Ärzte*innen, die Krankenpfleger*innen und insbesondere die Intensivpflegekräfte? Schon heute sind das sogenannte Engpassberufe. Schon heute können die Betten in den Krankenhäusern nicht komplett bewirtschaftet werden, weil die Pfleger*innen fehlen. Und die Alterung im Arztberuf ist enorm: die Hälfte aller niedergelassenen Ärzte*innen ist älter als 54 Jahre. Der Weckruf des ‚Deutschen Ärztetages‘ 2016 seinen vorgeschlagenen Masterplan umzusetzen, verhallte.

Und die demografischen Fakten liegen klar auf der Hand: Wenn 2031 der Geburtenjahrgang von 1964 (das waren 1.357.304 Kinder) in den Ruhestand eintritt, kommt der Geburtenjahrgang 2013 (das waren 682.069 Kinder) in das Arbeitsleben. Anders ausgedrückt: Jeder zweite Arbeitsplatz kann 2031 nicht wiederbesetzt werden.

Warum ist das so? Warum werden klare Entwicklungen nicht präventiv angegangen? Warum will man Veränderungen nicht wahrnehmen und rechtzeitig angehen, zumeist zu einem Zeitpunkt, wo die notwendigen Veränderungen noch nicht so wehtun? Die Antwort gibt es wohl nicht. Gleichwohl bleibt die Herausforderung, diese Zukunft zu gestalten und das geht nicht ohne Veränderungen und damit nicht ohne die eigene Veränderungsbereitschaft zuzulassen. Zukunft ist nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit. Wir müssen umdenken, neu denken und gerade das, was gestern noch unmöglich schien, für machbar erachten. Das habe ich aus der Corona-Pandemie gelernt.

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