Personalmangel an allen Orten und in allen Branchen – Wer überrascht ist, der hat lange gut geschlafen

Personalmangel an allen Orten und in allen Branchen – Wer überrascht ist, der hat lange gut geschlafen

Die Flughäfen klagen, dass ihnen Personal fehle. Die Luftfahrtgesellschaften streichen Flüge, weil ihnen Personal fehle. In Krankenhäusern werden Betten nicht belegt, weil ihnen Personal fehlt. Wir suchen in NRW 18.000 Lehrkräfte. Schwimmmeister sind Mangelware, so dass Freibäder nicht geöffnet werden können. Auf Handwerker müsse man bis zu drei Monaten warten, weil der Nachwuchs den Weg zum „goldenen Boden“ nicht mehr finde.

Dann wird als Erklärung angegeben, dass es dem jeweiligen Beruf an Attraktivität mangele, dass die Bezahlung nicht gerecht sei, dass die Arbeitszeiten nicht familienfreundlich ausfallen, dass der Beruf in der Öffentlichkeit nicht wertgeschätzt werde. Aber auf den wichtigsten Grund, den demografischen Wandel, kommt keiner zu sprechen. Dieses Phänomen wird seit Jahr(zehnt)en systematisch verdrängt. Und dass, obwohl seit Jahren mehr Menschen altersbedingt den Arbeitsmarkt verlassen als neu hineinwachsen.

Auch die schwarz-grünen Koalitionäre haben in NRW Luftschlösser in ihren Koalitionsvertrag gepackt: 10.000 zusätzliche Stellen für Lehrende an den Schulen, jährlich 3.000 zusätzliche Polizeikräfte, 1.000 neue Windräder, 100.000 neue Wohnungen. Doch woher kommen die Menschen für diese Vorhaben? Stellen zu schaffen, ist einfach, sie zu besetzen die Kunst. Die Währung der Zukunft lautet nicht mehr Arbeitsplätze, sondern Fachkräfte. Es zählt weniger das Abschlusszeugnis als das Talent.

Warum? Bitte erlauben Sie mir ein paar Fakten: 1964 erblickten 1.357.304 Kinder das Licht der Welt in Deutschland. Sie werden 2031 das Rentenalter erreichen (67 Jahre) und in den Ruhestand eintreten. 2031 wird der Geburtenjahrgang 2013 das Arbeitsleben erreichen. Das waren 682.069 Kinder und sie werden dann 18 Jahre alt. Mit anderen Worten: die 2031 freiwerdenden Arbeitsplätze werden nur zur Hälfte wiederbesetzt werden können. Die andere Hälfte ist nicht mehr geboren. Wie organisieren wir unsere Gesellschaft auf diesem Hintergrund?

Für die Menschen, die es nicht so mit Zahlen, Daten, Fakten haben, ein Bild: Stellen Sie sich bitte ein Ruderboot vor, den Deutschland-Achter. Von den acht Ruderer*innen erreichen zwei das Rentenalter und gehen in den Ruhestand. Die beiden finden nur eine*n Nachfolger*in. Jetzt rudern sieben weiter und sollen am besten die gleiche Leistung erzielen wie zuvor die acht. Das Phänomen kennen heute schon viele Arbeitnehmende. Nur: die beiden in den Ruhestand getretenen verbleiben auf dem Boot. Sie wollen weiterhin bespaßt werden und am Leben teilhaben. Und das tun sie auch, weil sie sehr lange leben. (Im Durchschnitt beziehen Menschen heute 21 Jahre Rente!)

Sie sind überrascht über diese Fakten? Dann sind sie nicht allein, denn die Flughafenbetreiber, die Luftfahrtgesellschaften, die Krankhausverwaltungen, die Kultusministerien, die Handwerksbetriebe auch. Sie liegen aber sehr, sehr lange klar auf dem Tisch. Nur: Man muss sie wahrhaben wollen.

Natürlich spielt auch die Corona-Pandemie eine verstärkende Situation, denn die in Kurzarbeit geschickten Arbeitnehmenden fanden zu großen Teilen neue Arbeitsplätze, weil der Fachkräftebedarf schon länger ein Thema ist. Das erklärt, warum insbesondere von der Pandemie gebeutelte Berufe und Unternehmen (Gastronomie, Luftfahrt, Veranstaltungstechnik, …) stärkere Probleme hat als andere Berufe und Gewerke haben.

Lösungen? Erst einmal muss man die Fakten annehmen. Dann muss man erkennen, dass keiner ein Rezept in der Tasche hat, um eine kurzfristige Lösung herbeizuzaubern. Dann brauchen wir die Schwarmintelligenz Vieler. Schließlich braucht es die Bereitschaft, sich auch selbst zu verändern, und zwar nachhaltig. Lösungsoptionen halten die drei T’s bereit: Technik, Talent und Toleranz. Man muss es nur wollen.

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