Wir sind uns einig: Niemand wird als Rassist geboren. Zum Rassisten wird man gemacht. Es ist kein deutsches Phänomen, sondern ein verbreitetes Verhalten, dass es in jedem (!) Land gibt. Auch Menschen, die Opfer eines Rassismus sind, können selbst rassistisch sein. Und sind es auch!
Doch was ist das überhaupt: Rassismus? Rassismus, so schreibt die Historikerin Nell Painter, „ist ein Konzept, kein Fakt“. Jedweder Zweck eines – wissenschaftlich verbrämten – Rassismus ist es, einen Außenseiter zu definieren (aufgrund von Hautfarbe, religiöser Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit oder anderen äußerlichen Merkmalen), um sich und sein eigenes Selbstbild dadurch positiver zu klären.
Die gerade verstorbene Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison schreibt: „Menschen zu anderen zu machen wird erlernt – aber nicht durch Lektüre oder Unterweisung, sondern durch das Beispiel.“ Es ist erstaunlich, dass selbst die vielen Wächter des Grundgesetzes nicht wissen, dass alle Menschen gleich sind, dass jeder Mensch seine unantastbare Würde hat und dass dieses Grundgesetz zum Beispiel die freie Religionsausübung ermöglicht.
„Ein rassistisches Verhalten“, so beschreibt es der französische Staatsbürger marokkanischer Herkunft Tahar Ben Jelloun seiner Tochter in dem lesenswerten Buch „Papa, was ist ein Fremder?“, bestehe darin, „anderen Menschen zu misstrauen, sie zu verachten und ungerecht zu behandeln, und zwar nicht, weil sie uns etwas Schlimmes angetan hätten, sondern einzig und allein, weil sie anders aussehen oder aus einer anderen Kultur stammen als wir“. Zum Rassisten wird man erst, wenn man glaubt, dass der Fremde, der Andere, der Andersartige, weniger wert ist als man selbst und deshalb auch weniger gut behandelt werden dürfe.
Eins ist aber auch klar: Ein Rassist fühlt sich minderwertig, denn sonst müsste er durch das Schlechtmachen des Anderen sich nicht selbst besser darstellen. Rassistische Menschen sind höchst unsichere Menschen, die in ihrem Rassismus Bestätigung für sich und ihr Lebenskonzept suchen und brauchen. Ich bin deutsch (heterosexuell, weiß, christlich) und deshalb besser als die Anderen.
Platt ausgedrückt: Wer einen anderen Menschen, zum Beispiel aus Ärger oder Wut, einen Idioten schimpft, ist kein Rassist. Er beleidigt allenfalls, was die meisten Menschen schnell bereuen. Wer diesen Menschen allerdings einen türkischen oder russischen, einen schwarzen oder homosexuellen Idioten schimpft, der ist ein Rassist. So einfach ist das. Doch das darf man auch bereuen, dafür darf man sich entschuldigen – und dann müsste es auch gut sein. Eigentlich.
Clemens Tönnies, der Aufsichtsratschef von Schalke 04, ist in seinen Äußerungen rassistisch gewesen, da er alle Afrikaner (also rund zwei Milliarden Menschen in 54 Ländern) unterstellt, dass sie keine Ahnung von Umweltschutz haben, nur Bäume fällen und wenn es dunkel ist, nichts anderes zu tun haben, als Kinder zu zeugen. Und dies, weil sie Afrikaner sind. Tenor: Er ist anders, er macht das nicht, er ist besser, er weiß daher auch die Lösung: 20 Kraftwerke in Afrika bauen.
Das ist der Nutzen des Rassismus: ich bin besser als andere, ich weiß es besser als andere, ich bin daher mehr wert. Ich bin wer, jubelt mir zu! Das haben die 1.600 Zuhörenden in Paderborn wohl auch getan. Belegt das wiederum, dass Rassismus so alltäglich geworden ist, dass es kaum noch auffällt?
Wenn der Ehrenrat des Fußballbundesligisten nun feststellt, dass die Äußerungen von Herrn Tönnies nicht rassistisch gewesen seien, so frage ich mich, welche Kompetenz bzw. welche Beurteilungskriterien damit verbunden sind. Aus meiner Sicht haben sich der Ehrenrat, Herr Tönnies, der gesamte Verein und dessen Leitbild nun erst recht desavouiert. Bitter, sehr bitter.