Politische Parteien, Mandatstragende, aber auch Medienschaffende, sie alle wärmen die politischen Denkkategorien alter ideologischer Auseinandersetzungen von „links“ oder „rechts“ wieder auf. Sie nutzen sie, als wären sie noch aussagefähig für Herausforderungen von heute oder morgen. Dabei spüren viele Menschen Unsicherheiten, weil mit „rechts“ oder „links“ keine orientierenden Antworten auf aktuelle Fragen mehr gegeben werden können. Die Zukunft ist einfach nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit – aber viele wollen immer wieder gern zurück, weil sie sich gestern wohler gefühlt haben. Manche Partei bedient das sehr erfolgreich. Andere kopieren das weniger erfolgreich.
Doch das ist nur dumm. Ein Zurück, zum Beispiel in eine Zeit vor Hartz IV, gibt es nicht. Das wäre so, als wenn es auch ein Zurück in eine Zeit ohne Spül- und Waschmaschine gebe. Wer wollte das? Und wie glaubwürdig ist jemand, der das verspricht? Wählen würde ich ihn nicht.
Aber mal ehrlich: Was sind denn große Fragen der Zukunft?
Zum Beispiel: Wer pflegt wen wie? Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich steigen wird. Wir wissen, dass die Zahl der Pflegekräfte damit nicht einhergehen kann! Jetzt frage ich: Wie löst man das Problem „links“ oder „rechts“? Interessant ist, dass diese massive gesellschaftliche Herausforderung sich seit vielen Jahrzehnten angekündigt hat, denn diejenigen, die 2040 pflegebedürftig sein könnten (und werden) sind seit 1960 auf dieser Welt. Wer wollte, konnte darum wissen. Und was haben die vermeintlich „Rechten“ oder „Linken“ gemacht? Sie haben diese Herausforderung geleugnet, sie zeigen sich hilf- und konzeptlos. Konsequenz: links und rechts helfen nicht mehr weiter.
Zum Beispiel: Wie schützen wir das Klima so, dass weltweit möglichst viele Menschen ihren Nachkommen eine lebenswerte Erde hinterlassen? Wie betreibt man nun „rechten“ bzw. „linken“ Klimaschutz? Fakt ist, dass seit fast 30 Jahren der erste Klimabericht der Vereinten Nationen vorliegt, der im Wesentlichen das beschreibt, was wir heute bildreich erleben. Es gibt keinen ernst zu nehmenden Zweifel daran, dass dieser Klimawandel menschengemacht ist. Wir wissen, was zu tun wäre. Wer wollte, konnte darum wissen. Und was haben die vermeintlich „Rechten“ oder „Linken“ gemacht? Sie haben diese Herausforderung geleugnet, sie zeigen sich hilf- und konzeptlos. (Erinnern Sie sich noch an den blauschöpfigen Rezo vor der Europawahl, der die CDU vorführte?) Konsequenz: links und rechts helfen nicht mehr weiter.
Zum Beispiel: Wie gestalten wir die Möglichkeiten der Digitalisierung so, dass möglichst alle Generationen, alle Regionen, alle Berufe und Gewerke von deren Nutzen profitieren? Seit dem Druckerstreik 1978 wissen wir, dass Prozesse auf uns zukommen, die die Arbeitswelt, das gesellschaftliche Miteinander, die zwischenmenschlichen Beziehungen nachhaltig verändern – und das in einem sich beschleunigendem Tempo. Im April 2013 veröffentlichte die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages ihren Schlussbericht zur digitalen Welt. Darin wird unter anderem beschrieben, was Medienkompetenz ist, und dass diese Medienkompetenz alle Generationen brauchen werden. Was ist passiert? Welche didaktischen Programme und Angebote liegen vor? Wer wollte, konnte darum wissen. Und was haben die vermeintlich „Rechten“ oder „Linken“ gemacht? Sie zeigen sich hilf- und konzeptlos. Konsequenz: links und rechts helfen nicht mehr weiter.
Wir könnten weitere Beispiele nennen: Den Landarztmangel, den Lehrermangel, den Mangel an Nachfolgenden für die Handwerksbetriebe. Bitte sagen Sie es mir: Wie löst man diese Herausforderungen links oder rechts?
Ob Klimawandel, demografischer Wandel, Digitalisierung, Globalisierung, Migration, Wertewandel – diese Prozesse laufen parallel und müssen miteinander gedacht und verwoben werden. Sie sind einerseits Lösungen für die Herausforderungen, andererseits aber auch Problemverstärker. Das bedarf völlig anderer Steuerungsprozesse – für die weder links noch rechts auch nur den Hauch einer Vorstellung haben. Und deshalb beschäftigen sie sich lieber mit sich selbst bzw. wechseln das Personal aus oder kritisieren ihre Personalspitzen. Sie wissen es einfach selbst nicht. Und immer mehr Menschen fragen sich daher, wen sie eigentlich warum wählen sollen!