Nun ist der Begriff „Remigration“ im Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 als politisches Ziel aufgenommen worden. Ziel ist es demnach, Menschen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, in ihr Heimatland (oder wo auch immer hin) zurückzuführen.
Dann stellen wir uns das doch einmal vor.
13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland – insgesamt zählt das Statistische Bundesamt 82,7 Millionen Bürger*innen – haben keine deutsche Staatsangehörigkeit. Das sind 10,7 Millionen Menschen. Sollen diese alle remigrieren? Wer macht das? Nach welchen Kriterien? (Auf der „Wannsee-Konferenz“ 1942 haben nationalsozialistische Entscheider (Frauen waren nicht dabei) beschlossen, elf Millionen Menschen jüdischen Glaubens in Europa systematisch zu ermorden. Kühl berechnet und geplant – und: sie sind gescheitert.) Zugegeben: die in Rede stehenden Millionen Ausländer sollen „nur“ remigriert werden, aber ganz praktisch: Wie soll das gelingen? Und wer nimmt sie auf? Werden sie dann zwischengeparkt in irgendwelchen Lagern?
Welche Auswirkungen hat das ganz praktisch in Deutschland?
Unter den rund 428.000 praktizierenden Ärzt*innen in Deutschland verfügen 64.000 nicht über einen deutschen Pass, darunter rund 6.120 aus Syrien. Das sind 15 Prozent. In einer älter werdenden Gesellschaft brauchen wir eine Dienstleistung besonders: Gesundheit. Insbesondere im ländlichen Raum werden in den nächsten Jahren rund 50.000 Hausärzt*innen fehlen. Das Durchschnittsalter eines niedergelassenen Arztes/ einer niedergelassenen Ärztin liegt bei 55 Jahren. 23 Prozent der berufstätigen Ärzt*innen sind älter als 60 Jahre. Wer ersetzt sie, zumal wenn die ausländischen Ärzt*innen remigriert werden? Das wird bedeuten, das viele Menschen früher versterben werden. So kann man das Rentenproblem auch lösen. Wer das will, muss in der Tat AfD wählen.
Unter den rund 1,7 Millionen Pflegekräften in den Pflegeeinrichtungen in Deutschland sind rund 16 Prozent ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Die sind also weg. Immerhin: 272.000. Dann bedenken wir auch noch die rund 300.000 Pflegekräfte aus Osteuropa, die in deutschen Privathaushalten pflegen. Wer wechselt dann die Windeln bzw. füttert? Wer will, dass ältere, pflegebedürftige Menschen in ihrem Kot liegen bleiben und verhungern, der muss in der Tat AfD wählen.
Wussten Sie, dass rund 160.000 Menschen im Speditionsgewerbe keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das sind rund 25 Prozent aller Paketboten und Lastkraftwagenfahrenden. Die Pakete aus den zahllosen Online-Shops werden von diesen Menschen nach Hause gebracht. Das wird – so der Plan der AfD – nun deutlich länger dauern, wenn diese Speditionskräfte remigriert sind. Nach der Bundestagswahl sollten Sie – je nach Wahlausgang – ihre Weihnachtsgeschenke schon zu Ostern planen, damit sie pünktlich unter dem Weihnachtsbaum liegen.
Ähnlich wird es sein, wenn Sie verreisen. Wer sortiert an den deutschen Flughäfen die Koffer? Aber warum sollten wir in die Ferne fliegen? Deutschland, Deutschland, Vaterland wird dann zum Urlaubsland Nummer eins.
Aber wer sorgt in der Gastronomie dafür, dass der Cappuccino serviert wird, dass das Abendessen eingenommen werden kann – Ausländer sind ja nicht mehr da. Übrigens ein Phänomen, dass der Brexit schon in Großbritannien vorgeführt hat.
Dass neben der AfD auch andere Parteien das Thema Migration in seiner negativsten Seite vortragen, verkennt die Lage, in der Deutschland ist. Deutschland braucht Fachkräfte, aber die Fachkräfte brauchen Deutschland nicht. Wer will in einem Land leben und arbeiten, dass Einfalt statt Vielfalt schätzt? Auch viele junge deutsche Fachkräfte werden sich weltweit umsehen, für welches Unternehmen sie arbeiten wollen. Ich bin erschrocken, wie wenig Unternehmende diese Situation erkennen und entsprechend aktiv werden. Noch erschrockener bin ich, wie leichtfertig hier die Zukunft von Deutschland aufs parteipolitische Spiel gesetzt wird.