„Man mag die Digitalisierung gut finden oder nicht – einen Stopp-Knopf, mit dem sie sich aufhalten lässt, gibt es nicht.“ Das jedenfalls stellen Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt in ihrem Buch „Die Digitale Bildungs-Revolution“ fest, der von einem radikalen Wandel des Lernens berichtet und davon, wie „wir ihn gestalten können“. Was kommt da eigentlich in einem enormen Tempo auf uns zu? Nicht wenige meinen, diese Techniken sollen so früh wie möglich in unseren Bildungseinrichtungen selbstverständlicher Alltagsbestandteil sein. Kinder, die schon im Kindergarten ein Tablet benutzen, lautet die Vision.
Doch davor warnen Gerald Lembke und Ingo Leipner in ihrem Buch „Die Lüge der Digitalen Bildung“. Sie befürchten, dass unsere Kinder das Lernen verlernen. Ihre Hauptthese lautet: „Eine Kindheit ohne Computer ist der beste Start ins digitale Zeitalter.“ Sie plädieren dafür, Kinder lieber im realen Matsch spielen zu lassen als in der virtuellen Welt der Tablets.
Der Bundestag richtete eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ein, deren Abschlussbericht im April 2013 veröffentlicht wurde. Darin wird auch definiert, was unter Medienkompetenz verstanden wird:
- Grundlagenkenntnis: Beherrschen der Kulturtechniken Schreiben und Lesen,
- Technische Fähigkeiten (Umgang mit Hard- und Software, Grundverständnis vom Aufbau des Internets, Grundkenntnisse im Programmieren etc.), die vor allem auf das Verstehen von Zusammenhängen und die Befähigung zum Selbstlernen abzielen,
- Kritisches Hinterfragen von Inhalten (Quellen einschätzen, Absichten von Sendern erkennen, Sensibilisierung für Werbebotschaften etc. Dies ist ebenso für den Umgang mit klassischen Medien wichtig - zum Beispiel Zeitungsprojekte, die auch für den Umgang mit Onlineinhalten positive Effekte haben können),
- Kompetenter Umgang mit der Informationsflut (Grundverständnis der Funktionsweise von Suchmaschinen; Vermeiden einseitiger Informationsauswahl, stattdessen sinnvolle Nutzung der Meinungsvielfalt im Netz),
- Risikobewusstsein (Kostenfallen, Datenschutz, Betrug, Missbrauch),
- Kreativität beim Umgang mit und dem Schaffen von Inhalten, aber auch Grundsätzliches wie Werte und soziale Kompetenz (Problembewusstsein für Cyberbullying; sich verantwortungsvoll bewegen in einem mehr oder weniger anonymen Raum etc.),
- Informationskompetenz, also die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und zu nutzen, Unbedeutendes auszusortieren sowie einschätzen zu können, wie viele Informationen situationsbezogen angegeben werden müssen/können,
- Befähigung zum Erstellen eigener Inhalte (Webseite, Blog, Film, Musik, eventuell Softwareentwicklung). Technische Fähigkeiten sollten dabei technologieneutral und unabhängig von Herstellern vermittelt werden.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Jede/r mag selbst prüfen, wie medienkompetent er/sie ist.
Doch Lembke und Leipner betonen nachdrücklich, dass das menschliche Gehirn bis zum 14. Lebensjahr eine „Großbaustelle“ sei. Bis dahin, so argumentieren sie, könne diese Medienkompetenz gar nicht erlernt werden. Dräger und Müller-Eiselt machen hingegen deutlich, welche Chancen für eine „massenhaft günstige und individuell zugeschnittene“ Bildung in der Digitalisierung lägen. Ziel sollte es daher sein, diese Wissenswelten miteinander zu verknüpfen. Diese Bücher könnten zusammen helfen, die Herausforderung des Mega-Trends Digitalisierung ein Stück weit zu meistern. Ziel sollte es sein, die Medienkompetenz als zentrale vierte Säule neben Rechnen, Lesen und Schreiben alter(n)sgerecht im Bildungssystem zu verankern. Die Zeit drängt.
Zwei Buchempfehlungen:
- Dräger, Jörg/Müller-Eiselt, Ralph: Die digitale Bildungs-Revolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München 2015. ISBN 978-3-421-04709-0. 17,99 Euro.
- Lembke, Gerald/Leipner, Ingo: Die Lüge der digitalen Bildung. Warum unsere Kinder das Lernen verlernen. München 2015. ISBN 978-3-86881-568-9. 19,99 Euro.