Hass trieb einen 43jährigen Menschen am 19. Februar 2020 soweit, dass er in Hanau zehn Menschen tötete. Hass ist die stärkste Emotion. Sie entsteht nicht von jetzt auf gleich. Hass ist das Ergebnis vieler Kränkungen, Demütigungen, Zurücksetzungen, subjektiv empfundener Ungerechtigkeiten. Der Rassismus hilft diesen Menschen, ihr ungeheuer geringes Selbstwertgefühl aufzupeppen, in dem andere Menschen geringwertiger angesehen werden. Bereits 2005 veröffentlichte der französische Philosoph André Glucksmann, der 2015 im Alter von 78 Jahren verstarb, ein lesenswertes Buch, das sich mit dem Hass und der "Rückkehr einer elementaren Gewalt" auseinandersetzte. Er schrieb, dass ein "grenzenloser Hass" um die Welt gehe: "mal glühend und schonungslos, mal schleichend und kalt". Wir beobachten das also schon länger. Die Frage stellt sich: Was ist getan worden, um diesem Hass zu begegnen?
Motor für Gewalt waren in der Geschichte der Menschheit schon immer Emotionen, die sich aus Habgier, Wahnsinn, Eifersucht, Neid, Nationalismus, Hybris, Fanatismus, aber auch Hass speisten. Diese Emotionen haben die Menschheit nie weiter gebracht, sondern immer zurückgeworfen. Dabei war die Religion stets ein missbrauchtes Schild, um auf dem Hintergrund einer göttlichen Mission dumpfe Emotionen zu befriedigen. Gerade die Deutschen haben das zuletzt 1945 erleben müssen, nachdem sie von einem Tyrannen befreit wurden, der seinen Hass (gegen die Juden), seinen rassistischen Größenwahn und seine nationalistische Überhöhung des Arischen zum Motor eines massenhaften Mordens, eines jahrelangen Leidens und eines furiosen Untergangs machte.
Hatten wir gedacht, dass der kollektive Hass in die Geschichtsbücher zurück verbannt worden ist und die individuelle Bosheit auf die Couch eines Psychiaters delegiert wurde?
Falsch. Der selbst ernannte islamische Terrorstaat, aber auch die selbsternannten Volksvertreter á la Pegida und die nationalistischen Parteien wie AfD belegen, das der Hass da ist. Denn Hass "klagt an ohne Kenntnis der Fakten. Der Hass urteilt, ohne begreifen zu wollen. Der Hass verurteilt willkürlich. Er hat vor nichts Respekt, er sieht sich als Objekt einer universellen Verschwörung," Und am Ende, so André Glucksmann, "erfüllt vom Ressentiment, gegen alle Argumente gefeit, zieht er eigenmächtig und großspurig einen Schlussstrich, indem er zubeißt. Ich hasse, also bin ich." Der Zünder für die menschliche Bombe - das haben wir gerade wieder in Hanau erleben dürfen - ist der Hass.
Der Hass auf Menschen, die anders sind, die sich anders kleiden, die sich anders bewegen, die anders glauben, andere Rituale und Bräuche pflegen, anders lieben. Doch dieser Hass gründet in einer Leere in sich selbst. Diese Leere füllt dann der Hass. Und dann sind da diejenigen, die diesen Hass skrupellos missbrauchen.
Wir erlebten es in Ruanda, in Kambodscha, in Tschetschenien. Wir erleben es in Syrien, im Irak, in Afghanistan - und auch in Paris, auch in Dresden, auch in Hanau, auch im Netz. Er entsteht weder durch Zufall noch durch Irrtum. Er wächst und gedeiht, denn niemand wird hassend geboren. Hass wird auch gesellschaftlich erzeugt und provoziert, zum Beispiel weil Menschen ausgeschlossen werden oder sich ausgeschlossen fühlen.
Dass wiederum heißt: ihm kann begegnet werden. Es ist leicht, die Spirale des Hasses jetzt in Gang zu setzen.
Doch wehret den Anfängen. Hass ist eine ansteckende Krankheit.
Es ist letztlich ein Kampf um Ideen eines Miteinanders von Generationen und Kulturen. Wir müssen wieder lernen, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Dass das Recht, sich frei zu bewegen und seine Meinung frei zu sagen, das Recht, seine Religion frei auszuüben und seinen Lebensstil selbst zu bestimmen, das Recht angstfrei eine Stadt zu besuchen, das Recht auf Glück etwas ist, wofür es sich zu streiten lohnt. Dafür gemeinsam ein mehrheitsfähiges "inklusives" Klima, ein gemeinsames Wertefundament zu schaffen, dass signalisiert: bei uns hat Hass keine Chance, bei uns wird das Miteinander Aller mit Leben (und nicht mit Leere) gefüllt!
Jede/r kann schon etwas dazu beitragen, wenn er/sie nur einen Grundsatz beherzigt: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge auch keinem anderen zu. Tue Gutes, rede darüber und handle entsprechend! Das Gegengift zum Hass ist Wertschätzung, menschliche Zuwendung.