Die verheerenden Verwüstungen, die Tornados, Starkregen und Überschwemmungen in verschiedenen Teilen Deutschlands im Juni 2016 angerichtet haben, und die wir jeden Tag in den Medien bildlich nachvollziehen können, machen betroffen. Für die direkt Betroffenen sind es Schicksalsmomente, für die vorläufig nicht direkt Betroffenen Momente des Nachdenkens und Innehaltens. Denn dies hätte theoretisch jeden betreffen können.
Sicher: Naturkatastrophen gab es schon immer. Sie wird es auch zukünftig geben. Und wenn auch das einzelne Naturereignis nicht mit dem Klimawandel erklärt werden kann, so ist der Klimawandel nachweislich dafür verantwortlich, dass solche Ereignisse heftiger denn je zuschlagen werden. Waren es bisher sechs bis neun Tage im Jahr, so werden es künftig bis zu 17 Tage im Jahr sein, wo Deutschland das Phänomen Starkniederschlag spüren wird, sagen Klimaexperten. Erinnern Sie sich: 2002 sprachen die Medien vom "Jahrhunderthochwasser". 2013 erlebten wir es erneut. So schnell vergehen Jahrhunderte - für Journalisten.
Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn Deutschland altert. Das durchschnittliche Alter, dass Menschen heutzutage erreichen, steigt statistisch von Jahr zu Jahr. 80 wird die Regel. Wie werden Menschen gerettet, die alt und gebrechlich sind, die dement sind, auf Rollatoren oder Rollstühle angewiesen sind? (Japan hat das im Rahmen der Reaktor-Katastrophe um Fukushima bereits 2011 erlebt.) Auch 2016 sind die Menschen, die im Zuge der Unwetter tödlich verunglückten, bereits mehrheitlich älter.
Und wer rettet? Wenn die Geburtenzahlen sich seit 1964 halbiert haben, stehen künftig gar nicht mehr so viele junge, kräftige Menschen zur Verfügung, die mit Rettungs- und Feuerwehrfahrzeugen zu den zu rettenden Menschen gelangen. Und wenn ein Drittel der neugeborenen Menschen einen Migrationshintergrund hat, die Freiwillige Feuerwehr in Deutschland noch immer weitgehend eine migrantenfreie Zone ist, wie sieht hier die Nachwuchssicherung aus?
Gleichwohl: eine Naturkatastrophe kommt - und geht. Wie sieht es dann mit der Beseitigung der Schäden aus? Auch hier macht sich bemerkbar, was demografischer Wandel heißt. Denn die Handwerker können auch nicht mehr so üppig auf Nachwuchs bei den Fachkräften zurückgreifen, denn - wie gesagt - die Geburtenzahlen haben sich halbiert. Von den neugeborenen Kindern wuchsen 2015 bereits 16,5 Prozent in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften auf. Was tun wir, damit auch diese gut gebildet werden und als Fachkräfte zur Verfügung stehen? Schließlich bestimmen in Deutschland noch immer eher Herkunft und Elternhaus, was aus einem Menschen wird. Dabei werden in jeder Familie Talente geboren.
Und noch etwas ist heute klar: Die Bauindustrie-Belegschaften altern schon jetzt. Das Durchschnittsalter in der Bauwirtschaft betrug 2014 bereits 43,0 Jahre (2005 waren es noch 40,1 Jahre). Befanden sich 2003 noch 37.900 Menschen in der Ausbildung in einem Bauberuf, so waren es 2013 nur noch 29.400. Wer also kommt, wenn das Haus vom Schlamm überrollt wurde? Wer baut neu, renoviert, legt die Leitungen, verlegt die Fliesen, klebt die Tapeten, klemmt den Strom an?
Mit anderen Worten: Klimaschutzpolitik wird zur präventiven Demografiepolitik. Doch wer sieht das Vorhersehbare? Wer steuert um? Spätestens wenn der letzte Keller wieder ausgepumpt und trocken ist, kehren wir zum "War schon immer so!" zurück und vertagen wieder einmal die aktive Zukunftsgestaltung. Oder wird es dieses Mal anders sein?