Die im September 2024 vorgestellte Studie „Familienfreundliche Arbeitgeber: Die Attraktivitätsstudie“ der Prognos AG stellt fest, dass insgesamt 14 Millionen Menschen, das sind rund ein Viertel aller Erwerbstätigen, Eltern mit Kindern bzw. Menschen, die eine Pflegeverantwortung für ältere Angehörige übernommen haben, sind. Damit sind sie auf betreuende Dienstleistungen angewiesen. Eine Konsequenz lautet, so die repräsentative Beschäftigtenbefragung von mehr als 2.500 Menschen, dass 42 Prozent der Beschäftigten sich vorstellen können, den Arbeitgebenden zu wechseln, wenn familiäre Belange zu wenig berücksichtigt werden.
Um es klar auszudrücken: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist einerseits eine Vereinbarkeit von Familie, Pflege, Kindern und Beruf und andererseits keine Anpassung der Familie an den Beruf, sondern eine Anpassung der beruflichen Rahmenbedingungen an die familiären Notwendigkeiten. In Zeiten des Fachkräftemangels, der sich demografisch bedingt noch verstärken wird, bedeutet dies, dass Arbeitgebende zwei Weichenstellungen zu beachten haben:
- Die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie (Kinder und Pflege) und Beruf als zentraler Entscheidungsfaktor für eine Fachkraft.
- Die große Zahl der Erwerbstätigen, die sich einen Wechsel des Arbeitsplatzes vorstellen können, wenn diese Vereinbarkeit nicht gegeben ist.
Machen Sie sich bitte nichts vor: Betreuung wird zu einem entscheidenden Standortfaktor für die Zukunft Ihres Betriebes. Wenn es weder genügend Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder noch genügend Betreuungsangebote für älter werdende (demente?) Menschen gibt, werden Ihre Fachkräfte sich eher zu Hause um ihre Angehörigen kümmern als wertschöpfend ihren Betrieb unterstützen. Wie sieht die Situation in Ihrer Kommune aktuell aus?
Da der Fachkraftmangel auch die Bereiche Erziehung (Kindertagesstätten) und Betreuung (Ganztagsbetreuung) sowie Pflege (Alten-, Behinderten- und (Intensiv-) Krankenpflege) betrifft, müssen neue Ideen her. Wir gestalten alle eine neue soziale Realität, die zwar seit Jahr(zehnt)en absehbar war, aber kaum einer wahr haben wollte.
Stellen Sie sich bitte Ihr Gewerbegebiet vor, indem Sie mit anderen Unternehmen eine Betreuungseinrichtung im Gewerbegebiet für alle Generationen gründen, die aber weder Betriebskindergarten noch Altentagespflegestelle heißt, sondern „Spielgruppencenter“ und „Demenzcafé“. Die bundesdeutschen Gesetze schreiben Standards für den Betrieb von Kindertagesstätten und Altenheimen sowie insbesondere der Fachlichkeit der dort tätigen Personen vor, die der deutsche Personalmarkt schlichtweg nicht mehr hergibt.
Im Moment halten die (zuständigen) Länder und die (kommunalen) Jugendämter lieber Standards ein, die dazu beitragen, dass weniger Personal weniger Kinder betreuen. Die Kinder, die dann zu Hause bleiben, sind die 43 Prozent der Kinder von 0-6 Jahren mit Migrationshintergrund, die es am nötigsten bräuchten. Denn dort schlummert auch das Fachkräftereservoir der Zukunft. Das zu vernachlässigen können wir uns nicht (mehr) leisten.
Achten Sie doch einmal darauf, ob diese Themen im aufkommenden Wahlkampf zur Bundestagswahl eine Rolle spielen. Dann sprechen wir uns vielleicht wieder.