Wir rufen „Fachkräfte“, aber es kommen „Menschen“ – Integration mitdenken!

Wir rufen „Fachkräfte“, aber es kommen „Menschen“ – Integration mitdenken!

Um 1870 nannte man es „Leutenot“, als das deutsche Kaiserreich massenhaft Arbeitskräfte aus Polen ins Ruhrgebiet für den Bergbau holte. Nach dem zweiten Weltkrieg brauchte das deutsche Wirtschaftswunder Arbeitskräfte und so wurden „Gastarbeitende“ aus mehreren Ländern angeworben. Rund 14 Millionen kamen, rund drei Millionen blieben und holten ihre Familien in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts nach. Ende der 80er Jahre kamen rund zwei Millionen sogenannte Spätaussiedelnde, vornehmlich aus der ehemaligen Sowjetunion, anschließend nach dem Fall der Mauer kamen ebenfalls viele Menschen, mit der EU-Erweiterung 2004 zogen insbesondere Menschen aus Osteuropa nach Deutschland.

Immer kamen in erster Linie Menschen, die anders sozialisiert waren und die in unsere Gesellschaft hätten aktiv integriert werden müssen. Doch erst nach der Welle der Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak 2015 wurde irgendwie allen bewusst, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. 2016 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Integrationsgesetz. (Der erste Gastarbeitervertrag ist 1955 mit Italien geschlossen worden.) Vorher ist die Integration der zuwandernden Menschen systematisch verdrängt worden. Ungesteuert war die Zuwanderung, ungesteuert wuchsen, insbesondere in den Städten, die Probleme. Die Clan-Kriminalität ist eine Folge dieser inkompetenten, ignoranten und faktenverneinenden Politik.

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch prägte in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits den Satz: „Wir riefen Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen.“ Das klingt so ähnlich wie Henry Ford, der über die Menschen, die an seinen Fließbändern arbeiteten, gesagt hat, dass er „zwei Hände“ wollte, aber nicht „deren Gehirn“. Wirtschaftliche Wohlstandsinteressen standen stets im Vordergrund, soziale Probleme wurden skrupellos auf die Kommunen abgewälzt. Die können sich in unserem föderalen System auch nicht wehren.

Jetzt verabschiedet der Bundestag die Reform des Einwanderungsrechts und führt zum Beispiel ein Punktesystem für neu zuwandernde Fachkräfte ein. Doch wieder wird nur über „Fachkräfte“ gesprochen und wieder werden wir erleben, dass Menschen kommen. Und erneut wird die Integration nicht mitgedacht. Warum lernen wir in Politik, Verwaltung und Gesellschaft nicht?

Wie lautet die Integrationsstrategie, die wir in Deutschlands Kommunen verfolgen? Welche Kommunen verfügen über eine solche Strategie, haben eine gemeinsame Haltung zu den Themen Migration und Zuwanderung entwickelt, bemühen sich um einen Konsens dazu in ihrer lokalen Gesellschaft, haben Vorstellungen entwickelt, wie die zuwandernden Menschen als solche in unsere Gesellschaft ankommen und vor Ort teilhaben können? (Laut Germany-Visa.org ist die Nachfrage nach der deutschen Staatsbürgerschaft sehr hoch, da Deutschland ein Land ist, in dem viele Menschen leben, arbeiten und studieren möchten.)

In dem Ort, in dem ich lebe, wohnen rund 4.000 Menschen. Davon hatten Ende 2022 42 Prozent keine deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Menschen kamen aus 58 verschiedenen Nationen. 42 Prozent der Kinder und Jugendlichen lebten von Bürgergeld (ehemals Hartz IV). Wer beobachten will, was die Bundespolitik nun wieder an sozialen Problemen verstärkt, der kann das in vielen Quartieren deutscher Kommunen erleben – nicht nur in Duisburg und Essen.

Hinzukommt, dass unser Ausländerrecht noch immer in der Rubrik „Gefahrenabwehrrecht“ einsortiert ist, wo es 1965 von ehemaligen Nazis, die noch immer im Bundesjustizministerium Dienst taten, reingepackt wurde. Die Ausländerämter bekämpfen also die Gefahr, während die Wirtschaft die Fachkräfte braucht. Dabei sollten das die „Willkommens-Behörden“ sein. Probleme sind also vorherzusehen, von denen insbesondere ausländerfeindliche Parteien profitieren werden. Warum lernen wir nicht? Es wäre so einfach. Aus Angst vor den lauten Stimmen der nationalen Ewig-Gestrigen?

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