Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (Köln) beschreibt die Schieflage in der Wohnungssituation in Deutschland. So finden wir in ländlichen Räumen immer mehr leer stehenden, nicht verkauf- oder vermietbaren Wohnraum, während in den urbanen Zentren (bezahlbare) Wohnungen fehlen. Dafür verantwortlich sind Gründe einer fehlgeleiteten Wohnungspolitik, die die Wirkungen des demografischen Wandels nicht wahrhaben wollten.
Dabei ist dieses beschriebene Phänomen der Wohnungsschieflage schon sehr lange (vor allem in Ostdeutschland) zu beobachten gewesen. Auch das Saarland hatte vor über zehn Jahren die Devise ausgegeben, keinen Wohnungsneubau mehr kommunal zu beschließen, doch niemand wollte die Wirkungen des demografischen Wandels wahrhaben und die Kommunen hielten sich nicht an diese Empfehlung. Ganz im Gegenteil, man glaubte sogar, den demografischen Wandel mit weiteren Neubaugebieten austricksen zu können. So haben Kommunen im ländlichen Raum die bisherigen, scheinbar bewährten Strategien immer wieder neu aufgelegt, um junge Familien anzuziehen: sie haben Neubaugebiete ausgewiesen. Man wollte zudem der Nachbarkommune ein Schnippchen schlagen und den Wettbewerb um die potenziellen Zuzügler gewinnen. Regionale Gesamtkonzepte? Fehlanzeige! Das konnte flächendeckend nicht gut gehen, weil das Potenzial der jungen Familien gar nicht mehr geboren war, das hätte zuziehen können. Schließlich sind die Menschen, die geboren wurden, immer weniger geworden. Und nur sie können irgendwann eine junge Familie werden, die ein Haus bauen möchte. Doch diese Zusammenhänge interessierten niemanden. Weiter so, lautete die Devise.
Die urbanen Herausforderungen waren diametral anders. Der Trend vom Land in die Stadt wird noch durch die Zuwanderer verstärkt. Auch nicht neu, aber das Prinzip ist das gleiche: kollektives Vertagen einer aktiven Zukunftsgestaltung. Und die Wähler haben das meist auch gewollt, weil ihnen das Heute wichtiger ist als das Morgen.
Was aber immer noch sträflich vernachlässigt wird: auch die Bauindustrie altert. Die Belegschaften werden nicht jünger. Denn auch die Bauindustrie hat Schwierigkeiten, junge Menschen als Nachwuchskräfte zu gewinnen. In den letzten 15 Jahren sind die Zahlen der Auszubildenden um bis zu zwei Drittel zurückgegangen. Und: das Bauhandwerk ist noch eine körperliche Arbeit, die im Alter eher schlecht als recht durchgeführt werden kann.
Und neben dem Wohnungsneubau in den Städten wartet noch eine gigantische flächendeckende Aufgabe: der alter(n)sgerechte Umbau. Nur drei Prozent der Wohnungen sind so, dass man als 85jähriger oder 90jähriger dort barrierearm wohnen kann. Aber die meisten älteren Menschen wünschen, in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Wir haben auch gar nicht vorgesorgt und den Wohnraum in entsprechenden Einrichtungen geschaffen. Wie sieht die Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe im Alter aus, wenn ich meine Wohnung gar nicht mehr verlassen kann? Das Zeitfenster, das rechtzeitig zu gestalten, wird immer kleiner.
Wohnungsnot wird daher zwei Gesichter haben: Menschen, die keine (bezahlbare) Wohnung in den Städten finden und Menschen, die keine alter(n)sgerechte Wohnung im ganzen Land haben. Darüber müssen wir endlich sprechen, strategisch uns auf den Weg machen, diese Herausforderung gemeinsam zu meistern. Ob das Themen der Bürgermeisterwahlkämpfe im Lande sind? Wahrscheinlich nicht. Aber: wen interessierts? Wer geht denn noch wählen? Und welcher Kandidat weiß, dass die Zukunft nicht die Verlängerung der Vergangenheit ist? Weiter so!?